Predigt zum Gründonnerstag (Joh 13, 1-15)

Dienst, Erbe und Angst

Die Liturgie des Gründonnerstages hat es wahrlich in sich. Jedenfalls treten an diesem Tag, mit dem die drei österlichen Tage von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu beginnen, wesentliche Aspekte in Erscheinung, die für uns Christinnen und Christen noch heute von zentraler Bedeutung sind, egal ob in unserem persönlichen Glaubensleben, im Engagement in der Pfarrgemeinde, in Familie, Beruf oder Politik.

Der erste Aspekt ist die Fußwaschung, die Jesus an seinen Jüngern vollzieht und mit den Worten abschließt: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Klarer kann man es nicht formulieren: Unter den Christinnen und Christen ist jener der größte, der dient. Jesus dreht also den Spieß um, er revolutioniert das hierarchische Gefüge der Gesellschaft: Oben ist unten und unten ist oben. Leider haben wir das immer noch nicht richtig begriffen – und es ist auch in der Kirche diesbezüglich sehr viel schiefgelaufen und läuft immer noch schief. Das Wort Jesu gilt aber trotzdem: Der Größte von euch ist der, der dient.

Für den heiligen Franz von Sales war der heilige Ludwig von Frankreich „der größte König unter der Sonne“, nicht, weil er König war, sondern weil er die Armen beim Essen bediente und Kranke in den Hospitälern besuchte: „Bloßen Hauptes und kniend leistete er ihnen seine Dienste“ (DASal 1,147).

Der zweite Aspekt ist die Eucharistie, die „Sonne der geistlichen Übungen, … der Mittelpunkt der christlichen Religion“ (DASal 1,90), wie der heilige Franz von Sales sagte und das 2. Vatikanische Konzil bestätigte. Das Sakrament der Eucharistie ist das Erbe, das uns Jesus Christus vor seinem Tod anvertraute – seine Ganzhingabe an die Menschheit mit Leib und Blut. Wir sollen diese Eucharistie zu seinem Gedächtnis feiern; an der Feier der Eucharistie sollen die Christinnen und Christen erkannt werden. Faszinierend ist der Gedanke, dass heute tatsächlich zu jederzeit irgendwo in unserer Welt Eucharistie gefeiert wird, und wir alle sind Teil dieses immerwährenden eucharistischen Geschehens.

Der dritte Aspekt schließlich ist das Gebet am Ölberg im Garten von Getsemani: Jesu Angstschrei in die Nacht – und seine Bitte: Wacht und betet mit mir! Es ist sein Aufruf zur Solidarität mit allen Menschen, die Angst haben und verzweifelt sind … Wenn wir schon nichts anderes tun können, eines können wir immer: füreinander beten.

Der heilige Franz von Sales schreibt darüber: „Wenn ich meinen Erlöser am Ölberg sehe mit seiner bis in den Tod betrübten Seele, rufe ich aus: Ach Herr Jesus, wer war imstande, dieses Todesleid in die Seele des Lebens zu tragen, wenn nicht die Liebe, die Erbarmen weckt“ (DASal 3,247).

Die Jünger sind eingeschlafen und haben es versäumt, sich mit der Angst Jesu zu solidarisieren. Sie haben den Ernst der Lage nicht erkannt. Das bleibt ein warnendes Beispiel für uns, die Ängste dieser Welt nicht zu übersehen, weder die großen noch die kleinen.

Der Dienst Jesu, sein Erbe und seine Angst: daran möchte uns der Gründonnerstag erinnern – für unser Christsein in der Welt von heute. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS