Predigt zum Requiem P. Alfred Ertle OSFS

Seelsorger mit großem Herzen

Jesus sagt: Ich bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und mein Leben für alle Menschen hinzugeben. (Mk 10,45)

Es gibt ein paar Erlebnisse und Erfahrungen mit P. Ertle, die sich in mir eingeprägt haben, wie eine Melodie oder ein Gemälde, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Ein Bild hat mit seinem priesterlichen Dienst zu tun. 60 Jahre war er mit Freude Glaubender, Pfarrer und Diener. Als Seelsorger für die Menschen da, ihnen nahe in ihren Sorgen, Ängsten und Zweifeln, nahe auch in ihren Freuden und Feiern.

Er hat sein Leben mit ihnen geteilt, mit ihnen und für sie gebetet, Sakramente gespendet und Gottesdienste gefeiert.

Er war als Priester Diener, indem er mit Freude die Sakramente spendete und von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes erzählte.

Ein zweites Bild. Er kannte keine Unterschiede. Alle Menschen waren ihm gleich nahe und gleich viel wert: seine Verwandtschaft, über die er immer mit sehr viel Hochachtung und Liebe erzählte, seine Mitbrüder, für die er immer großes Interesse zeigte, und alle seine Gemeindemitglieder: er freute sich über und mit den Kindern, Schülerinnen und Schüler, Ministrantinnen und Ministranten, genauso über Jugendliche bis hin zu den älteren Menschen. Er konnte mit den Menschen aller Generationen. Er war für alle da, er war ihnen allen nahe. Das spürten die Menschen und schätzten es. Er freute sich, Menschen begleiten zu dürfen, sowohl in frohen Stunden als auch in leidvollen Zeiten, mit ihnen Fasching zu feiern und an den Stammtischen ein Bier zu trinken.

Das bringt mich zu einem dritten Bild, oder besser zu einer Melodie, die sich in mir eingeprägt hat: Er wurde 1962 geweiht. In diesem Jahr begann das 2. Vatikanische Konzil und damit eine Zeit der großen gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen. Es gab heftige Auseinandersetzungen, Kritik, Aufbrüche, Zölibatsdiskussionen, … und natürlich auch etliche Austritte aus dem Ordensleben und Laisierungen von Priestern.

Er hat sich mit all dem auseinandergesetzt, er hatte seine Meinung, er war nie einfach nur in der Defensive, und er wurde auch nicht verbittert oder gar zynisch.

Er war offen für das Neue. Er wollte nicht Funktionsträger in einem System sein, das funktioniert. Er wollte Mensch sein in einer Gemeinschaft von Menschen, in einer Kirche, in der es sehr „menschelt“, aber die liebenswürdig bleibt, weil in ihr liebenswürdige Menschen sind und arbeiten.

Beeindruckend fand ich immer seine Treue und Zuverlässigkeit zum priesterlichen Dienst, zur täglichen heiligen Messe, zum Stundengebet und so vieles andere.

Ein Bild, das ich immer mit Alfred in Verbindung bringen werde, weil ich es schon in Wien in Neufünfhaus so erlebt habe, das ich in Ried bei meinen Besuchen wieder erfahren habe, und schließlich auch hier in Eichstätt, als er bereits im Pflegeheim war: sein freundliches Lächeln bei der Begrüßung.

Er hat die Menschen immer mit einem Lächeln begrüßt, einem freundlichen Gesicht. Er freute sich, wenn jemand zu ihm kam. Er war ein geselliger Mensch, der gerne mit jemanden ein Glas Bier oder einen Schnaps trank, und eine witzige Bemerkung nachschickte.

Manchmal war sein Witz und sein Charme auch etwas herb. Jemand aus Österreich nannte es: Deutsch eben. Natürlich hatte er auch seine Ecken und Kanten.

Er war zwar im Orden selbst nie längere Zeit in irgendwelchen Gremien; meist sogar alleine oder zu zweit in einer Pfarre. Aber er ist kein Außenseiter geworden, er ist auch nicht eigene Wege gegangen, sondern er blieb ein Oblate, ein am Orden interessierter Mensch und hat sich immer sehr gefreut, wenn Mitbrüder auf Besuch kamen, denen er dann viele Fragen stellte.

Alfred hatte auch ein großes Herz, er hatte eine soziale Ader. Er unterstützte immer wieder Menschen, denen es nicht so gut ging. Er war gut in seiner Güte und Großzügigkeit, die er allen Menschen gezeigt hat.

Früher, so heißt es im „Nachsommer“ von Adalbert Stifter, hat man in einer schönen Kirche oder bei der Musik, das Leben, die Werte und auch den Glauben gelernt.

Er war so einer. Er hat selbst einmal Orgel gespielt, und er war einer, der klassische Musik und schöne Kirchen liebte.

Vielleicht auch deshalb ist er immer ein hoffnungsvoller und auch Hoffnung stiftender Mensch geblieben, er hat sich nie zurückgezogen auf das Jammern, Schimpfen und Kritisieren. Als sehr offener und auch flexibler Charakter hat er sich immer wieder die Frage gestellt, wohin wir als Gemeinde und Kirche gehen wollen, was unsere inspirierende Vision und unsere Hoffnungen sind.

Der Dienst an der Hoffnung ist in einer Atmosphäre der Resignation und auch der Angst, wie wir es gerade heute erleben, eine ganz wichtige Dimension priesterlichen Lebens und Wirkens.

Unser Ordensgründer, P. Lois Brisson sagte einmal:

Legt euer Herz
in eure Aufgabe hinein.
Wer seine Aufgabe
ohne Herz verrichtet,
tut sie wie eine Maschine.
Arbeitet mit Liebe,
und ihr werdet alles guttun.

Jesus sagt: Wer von euch groß sein will, soll euer Diener sein.

P. Alfred Ertle hat auf seinem Weihebildchen schreiben lassen: Christus, lass ihn täglich treu Deinem Ruf folgen zum Heil der Menschen. Das hat er Zeit seines Lebens getan. Dafür sind wir alle heute sehr dankbar. Amen.

P. Provinzial Josef Költringer OSFS, Eichstätt, 26. Juni 2024