Predigt zum 17. Sonntag im Jahreskreis (Joh 6,1-15)

Die Kleinigkeiten

Gleich vorweg: Mit dem Wunder der Brotvermehrung liefert uns Jesus Christus nicht das Rezept für das Ende des Hungers in der Welt und er gibt uns auch nicht den Auftrag, in Zukunft gänzlich auf Fleisch zu verzichten und dafür Fisch und Brot zu essen.

In diesem Wunder geht es um etwas anderes, nämlich um ein Zeichen dafür, dass Jesus Christus der vom Volk Gottes erwartete Messias ist und mit der gleichen Vollmacht handelt, wie Gott selbst. Einem jeden dieser 5000 Männer samt deren Frauen und Kindern war klar, dass das, was hier geschieht, mit dem Paschafest zu tun hat, das unmittelbar bevorstand. Es war und ist das größte Fest des Jahres, das das jüdische Volk an den Auszug aus Ägypten und den Zug durch die Wüste in das gelobte Land erinnert. Und bei dieser Wüstenwanderung geschah es eben, dass Gott sein Volk mit dem Manna, das täglich vom Himmel herabkam, ernährte. Mit dem Wunder der Brotvermehrung offenbart sich Jesus als das neue Manna, als das Brot, das vom Himmel herabkommt, das Brot des Lebens: Wer dieses Brot ist, wird leben in Ewigkeit, auch wenn er stirbt. Das zeigt uns auch der Hinweis, dass genau zwölf Körbe mit Gerstenbrot übrigbleiben – genau wie die zwölf Stämme Israels. Das zeigt die Reaktion der Menschenmenge: „Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll.“ Und vor allem zeigt es die Reaktion Jesu, der sich auf einen Berg zurückzieht, weil er erkennt, dass die Menschen ihn ganz und gar nicht verstanden haben und ihn mit Gewalt zum König machen wollen. Er ist eben kein König im politischen Sinne, sondern der Sohn Gottes, mit dem das Reich Gottes in der Welt angebrochen ist.

Wie sollen wir heute mit dieser Zeichenhandlung Jesu umgehen? Ich glaube, uns kann da der kleine Junge mit seinen fünf Gerstenbroten und den zwei Fischen helfen – und die Frage des Apostels Andreas: „Was ist das für so viele?“

Angesichts der großen weiten Welt mit all ihren schier unlösbaren Problemen, angesichts der großen weltumspannenden Kirche mit ihren Herausforderungen, Skandalen und Konflikten, stellt sich wahrscheinlich auch uns oft diese Frage: Was kann ich kleine Frau, kleiner Mann da schon Großes tun? Was ist das schon bei der Größe der Probleme, die es gibt. Jesus sagt uns dazu auch heute genauso wie damals: Gib mir einfach das, was du hast – den Rest erledige ich.

Das Wunder der Brotvermehrung stellt uns also heute die Frage: Bin ich bereit, die Kleinigkeiten, die ich zur Verfügung habe, Gott zur Verfügung zu stellen – und zwar voll und ganz –, damit er damit machen kann, was er will. Bin ich bereit, meine Talente und Fähigkeiten in den Dienst Gottes zu stellen? Bin ich bereit, die kleinen Schritte zu gehen, die ich gehen kann? Gott verlangt von uns keine Großtaten – die macht er schon selbst –, aber er möchte, dass wir ihm die kleinen Dinge, die wir geben können, ganz geben.

So sieht es auch der heilige Franz von Sales, der in seinem Buch „Anleitung zum frommen Leben (Philothea)“ schreibt: „Die großen Gelegenheiten, Gott zu dienen, sind selten: kleine gibt es immer. Wer aber im Kleinen treu ist, sagt der Heiland, den wird man über Großes setzen. Verrichte also alles im Namen Gottes und es wird gutgetan sein. Ob du isst oder trinkst, dich erholst oder am Herd stehst: wenn du deine Arbeit gut verrichtest, wirst du großen Nutzen vor Gott haben, wenn du alles tust, weil Gott es von dir verlangt“ (DASal 1,191).

Denken wir also einmal darüber nach, welche fünf Gerstenbrote und welche zwei Fische ich Gott zur Verfügung stellen kann, damit er damit Wunder wirkt. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS