Predigt zum Fest Petrus und Paulus
Bunte Kirche
Petrus und Paulus: zwei völlig verschiedene Charaktere – und trotzdem werden sie heute gemeinsam in einem liturgischen Fest miteinander verehrt. Trotzdem bilden beide zusammen die beiden Säulen, die das Gebäude Kirche seit mehr als zweitausend Jahren prägen und tragen.
Petrus, der traditionelle Bewahrer – man könnte ihn auch den „Konservativen“ nennen, der allem neuen zunächst skeptisch gegenübersteht, der aber trotzdem von Jesus Christus zum Fels der Kirche ernannt wurde, dem er die Schlüsselgewalt übergab, dessen Schwächen er genauso kannte, wie er seine Treue und seine Liebe zu ihm schätzte.
Und Paulus, der ungestüme und kreative. Man könnte ihn heute auch den „Progressiven“ nennen, der mit gleicher Radikalität die Christen verfolgte, wie er später dazu beitrug, dass der Glaube an Jesus Christus sich in der ganzen Welt verbreitete und dabei nicht zögerte, jahrtausende alte Gesetze wie die Beschneidung zu ändern und moderne Ansichten, wie etwa die griechische oder römische Philosophie in seine Lehre zu integrieren.
Selbstverständlich haben die beiden Apostelfürsten auch miteinander gestritten, wie etwa in Antiochia, als Paulus dem Petrus von Angesicht zu Angesicht widerstanden hat – aber beide waren bereit, für Jesus Christus zu sterben.
Mir gefällt das heutige Fest Petrus und Paulus, weil es zeigt, dass unsere Kirche bunt sein darf, dass wir nicht immer alle zusammen einer Meinung sein müssen, dass diskutiert und gestritten werden darf, dass jedoch eines vor allem anderen das wichtigste ist: die Liebe zu Jesus Christus, die Einheit und das Einssein mit ihm, bei allen Unterschieden, Verschiedenheiten und Differenzen, die es sonst noch gibt.
Ich möchte euch heute in diesem Zusammenhang das schöne Kirchenbild des heiligen Franz von Sales mitgeben, das er in seinem Buch „Abhandlung über die Gottesliebe“, oder auch „Theotimus“ genannt, zeichnete. Dieses Buch erschien übrigens genau heute vor über vierhundert Jahren am 29. Juni 1616. Franz von Sales schreibt:
Die Kirche ist „einem Garten vergleichbar …, geschmückt mit der Lieblichkeit unzähliger Blumen, die sich alle in Größe, Farbe, Duft und Schönheit voneinander unterscheiden; doch hat jede ihre Kostbarkeit, ihre Anmut, ihre Farbenpracht und alle zusammen bilden durch die Vereinigung ihrer Mannigfaltigkeit die Vollendung einer höchst ansprechenden Schönheit.“
Diese Schönheit erhält die Kirche durch ihre Einheit mit ihrem Haupt, Jesus Christus. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS