Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17,1-11a)

Von Jesus beten lernen

Mit dem heutigen Abschnitt aus dem Johannesevangelium dürfen wir Jesus Christus beim Beten erleben.

Normalerweise zog sich Jesus ja immer in die Einsamkeit zurück, um zu beten. Was er da genau tat, wissen wir nicht. Natürlich kennen wir das Vaterunser, das er uns zu beten gelehrt hat. Und wir wissen auch, dass er, wie jeder Jude, die Psalmen zitieren konnte. Seine ganz persönlichen Gebetsgedanken aber offenbart er uns erst bei seinem Abschiedsgebet, von dem wir heute ein Stück gehört haben.

Sich in die Gegenwart des betenden Jesus zu versetzen, tut gut. Ich lade dazu ein, sich mit ihm und seinen Jüngern in den Abendmahlsaal zu begeben, und seinen Worten zu lauschen – und vielleicht dadurch von Jesus für das eigene, persönliche Gebet zu lernen.

Wie betet Jesus? Zunächst wendet er sich direkt an Gott und er nennt ihn „Vater“: „Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht!“

Das Gebet Jesu ist ein Dialog, ein Zwiegespräch, mit Gott Vater. Er redet nicht über ihn, sondern mit ihm. Und er sagt: „Vater, jetzt wird es ernst!“ Jetzt entscheidet sich alles. Die Stunde ist gekommen, auf die dein gesamter Schöpfungs- und Erlösungsplan ausgerichtet war. Jetzt geht es um die Verherrlichung – um deine und meine. Jetzt geht es um das „ewige Leben“. Und was ist dieses „ewige Leben“? Auch das verkündet uns Jesus in seinem Gebet: „Das ewige Leben bedeutet, dass die Mensch dich, den einzig wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus.“

So betet Jesus am Ende seines dreijährigen öffentlichen Wirkens: Es geht um Gott Vater, es geht um die Verherrlichung Gottes und es geht um das Ewige Leben, in dem man Gott erkennt.

„Das Gebet ist die segensreiche Quelle, deren belebende Wasser die Pflänzchen unserer guten Wünsche zum Grünen und Blühen bringen.“ So beschreibt der heilige Franz von Sales das Gebet (Philothea II,1; DASal 1,71). Er ist überzeugt davon, dass das persönliche, direkte Gespräch mit Gott, belebend ist wie eine sprudelnde Quelle. Und weiter schreibt er:

„Nichts ist geeigneter, unseren Verstand von Unwissenheit und unseren Willen von seinen verderbten Anhänglichkeiten zu reinigen, als das Gebet, das unseren Verstand in die Helle göttlichen Lichtes rückt und unseren Willen der Wärme göttlicher Liebe aussetzt.“ (ebd.)

Es geht also um das göttliche Licht, um die Wärme göttlicher Liebe, von der man sich bestrahlen lässt, wenn man betet. Es geht also im Gebet um die Erkenntnis des einzig wahren Gottes, und diese Erkenntnis bedeutet das ewige Leben.

Um all das zu erreichen, empfiehlt uns Franz von Sales das „Gebet des Herzens“ und die Betrachtung des Lebens und des Leidens des Heilands:

Vor allem“ so schreibt er, „empfehle ich dir das Gebet des Geistes und des Herzens, ganz besonders jenes, das zum Gegenstand das Leben und Leiden des Heilands hat.“ Wenn man so betet, so meint Franz von Sales: „ wird deine Seele von [Jesus Christus] erfüllt, du lernst seine Art und Weise kennen und deine Handlungen nach den seinen formen. Er ist das Licht der Welt.“ (ebd.)

Lernen wir von und mit Jesus zu beten, in dieser persönlichen Innigkeit des Herzens, die er uns vorgebetet hat.

Jesus betet auch für uns: „Für sie bitte ich; … für alle, die du mir gegeben hast, denn sie gehören dir. Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlich.“

Das bedeutet: Beten ist eigentlich überhaupt nicht schwer. Ich brauche nämlich nicht von Null anfangen und mich zum guten Gebet vorantrainieren. Jesus Christus betet ja schon längst für mich und mit mir. Ich muss eigentlich nur noch da sein und mich diesem Gebet Jesu öffnen. Dann braucht es eigentlich gar keiner Worte mehr, denn Jesus spricht für mich. Er ist das Wort, mehr braucht es nicht.

„Glaube mir,“ so schreibt daher auch der heilige Franz von Sales, „wir können zu Gott dem Vater nur durch diese Pforte – nämlich Jesus Christus – gehen … so sollen auch wir den Heiland in all unseren Gebeten und Handlungen betrachten, ansehen und suchen.“ (ebd.)

Das ist der sicherste und einfachste Weg zum Ewigen Leben: in und mit Jesus. Denn so betet Jesus Christus: „Vater, alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht.“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS