Predigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis (Mk 1,40-45)

Mitleid, Verkündigung, Gebet

Im eben gehörten Abschnitt des Evangeliums können wir drei Gedanken finden, die für unseren Glauben heute von Bedeutung sind:

Der erste Gedanke: Jesus hat Mitleid. Die Aussätzigen waren damals die Ärmsten der Armen, die Ausgestoßenen und Unberührbaren. Jesus stößt diesen Aussätzigen nicht von sich, er läuft auch nicht davon, wozu er jedes Recht gehabt hätte, ganz im Gegenteil, er lässt sich auf ihn ein, er leidet mit ihm mit und berührt ihn sogar. Das war damals ein absolutes No-Go! Einen Aussätzigen darf man nicht berühren, denn damit macht man sich selbst unrein. Jesus ist das egal, er erklärt sich mit dem Aussätzigen solidarisch – und heilt ihn.

Mitleid, oder modern ausgedrückt: Empathie, Mitgefühl, Einfühlungsvermögen gerade mit den Ärmsten der Armen, Solidarität mit den Ausgestoßenen, caritatives Engagement gehören seither zum Grundprogramm unseres Glaubens. Der heilige Franz von Sales meinte deshalb einmal: „Ach, man muss Mitleid haben mit unseren armseligen Seelen“ (DASal 5,188). Eines Tages setzte er sich sogar für einen Mörder ein mit der Begründung: „Dazu werde ich gedrängt durch die Pflicht, … Mitleid zu haben mit den Unglücklichen …, gerade dann, wenn sie jeder anderen Hilfe beraubt sind“ (DASal 8, 268).

Der zweite Gedanke: Jesus verbietet dem Aussätzigen, von seiner Heilung zu erzählen. Dieses eigenartige „Schweigegebot“ ist ein besonderes Charakteristikum des Evangelisten Markus. Damit wollte der Evangelist deutlich machen, dass man das gesamte Handeln und Lehren Jesu nur dann richtig versteht, wenn man seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung mitbedenkt. Jesus ist nur von Ostern her richtig zu begreifen. Wer das vergisst, der soll besser schweigen.

All unser christliches Handeln ist nur verstehbar und richtig einzuordnen, wenn wir die Auferstehung Jesu im Blick haben. Warum glaubst du? Warum bist du Christin oder Christ? Darauf gibt es nur eine Antwort: Weil Jesus auferstanden ist und sich damit als Christus, als Messias, als Sohn Gottes, Retter und Erlöser offenbarte. Seit Ostern gibt es daher auch kein Schweigegebot mehr, sondern den Auftrag: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium.“

„Wer immer zu diesem neuen Leben des Heilands auferstanden ist,“ meint der heilige Franz von Sales, der „lebt nicht mehr sich, in sich und für sich, sondern seinem Heiland, in seinem Heiland und für seinen Heiland.“ (DASal 4,54). Er will „mit Gottes Hilfe überall seine Größe und Unendlichkeit verkünden“ (DASal 5,357).

Schließlich der dritte Gedanke: Jesus suchte immer wieder die Einsamkeit. Trotz oder gerade deshalb, weil ihm alle nachliefen, zog er sich zurück, um zur Ruhe zu kommen, zu Gott Vater zu beten, Kraft zu tanken und sich über seinen Weg klar zu werden.

Unser Weg als Christinnen und Christen soll also nicht nur offen sein für die Ärmsten der Armen, wir sollen nicht nur bereit sein, den Auferstandenen Herrn Jesus Christus in der ganzen Welt zu verkünden, es braucht auch den Rückzug in die Einsamkeit, um Kraft zu tanken für die Herausforderungen des Alltags. Es braucht Zeiten des Gebetes, es braucht die Stunde der Eucharistie, es braucht Stille und Schweigen, wo ich mich nur mit Gott beschäftige. Und, so erkennen wir am Beispiel Jesu sehr deutlich, je turbulenter es zugeht, umso notwendiger sind diese Zeiten. „Das Gebet ist die segensreiche Quelle, die unser Leben zum Grünen und Blühen bringt,“ (DASal 1,71) meint daher auch der heilige Franz von Sales.

In drei Tagen ist Aschermittwoch, der Beginn der Österlichen Bußzeit. Das ist eine gute Gelegenheit, um wieder einmal über meinen Glaubensweg intensiv nachzudenken. Der heutige Sonntag stellt uns dazu drei wichtige Fragen: Wie gehst du mit jenen um, die von der Gesellschaft ausgestoßen werden? Bist du bereit, Christus den Auferstandenen überall zu verkünden? Und schließlich: Suchst du im Alltag nach stillen Zeiten des Gebetes? Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS