Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit (Joh 20,19-38)

… damit ihr Leben habt

„… damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“ Dieser Satz am Ende des heutigen Evangeliums fasst eigentlich zusammen, warum Johannes all das aufgeschrieben hat, was ihm zum Leben Jesu wesentlich erschien: „Glaubt an Jesus, den Christus, den Sohn Gottes, damit ihr Leben habt.“

Das war und ist auch das Erfolgsrezept des christlichen Glaubens. Bis Jesus Christus galt das Gesetz des Stärkeren. Wer stärker ist, überlebt, wer die besseren Waffen hat, ist der Herrscher über die anderen … und das galt bis hinein in die Welt der Götter. Vor Gott werde ich bestehen, wenn ich mich als mächtig erweise. Das führte schließlich dann auch dazu, dass sich die Könige – egal ob in Rom, Ägypten oder sonst wo – zunächst als Halbgötter, dann als richtige Götter verehren ließen.

Wozu das führt, erleben wir in unserer Welt immer wieder und wir erleben es gerade heute. Papst Franziskus beschreibt dies mit den drastischen Worten, dass wir uns mittlerweile in einem Dritten Weltkrieg befinden, weil derzeit mehr Staaten im Kriegszustand sind als noch im Zweiten Weltkrieg. Umso dringender ist es, dass wir Christinnen und Christen noch mehr darauf hinweisen, worum es Jesus geht, damit wir das Leben haben.

Seine erste Botschaft dabei lautet: Shalom – Der Friede sei mit euch. Dieser Friede ist mehr als nur ein Waffenstillstand, dieser Friede bedeutet Leben in Fülle für alle, für die Starken und Mächtigen genauso wie für die Schwachen und Ohnmächtigen. Für diesen Shalom hat sich Jesus kreuzigen lassen, damit wir das begreifen.

Seine zweite Botschaft für das Leben lautet: Versöhnung im Heiligen Geist. Denen ihr die Sünden erlasst, dem sind sie erlassen. Vergebung ist immer das bessere Lebensmittel, nicht Rache oder Bestrafung.

Und schließlich die Barmherzigkeit mit allen, die anderer Meinung sind, und der Versuch, sich ihnen auf berührende Weise zu widmen, so wie Jesus es mit dem Apostel Thomas getan hat. Also diejenigen, die nicht meiner Meinung sind, nicht verurteilen, sondern sich berühren lassen.

Natürlich ist dieser Shalom, dieser Friede, der das Leben schenkt, in großen Teilen unserer Welt Utopie. Trotzdem oder gerade deshalb setzen sich seit 2000 Jahren Christinnen und Christen genau dafür ein, dass diese Utopie Wirklichkeit wird, damit wir eben das Leben haben.

Der heilige Franz von Sales war einer dieser Utopisten vor vierhundert Jahren. Er engagierte sich unermüdlich für den Frieden – in seiner Familie, seiner Diözese, und zwischen den Ländern. Konflikte und Kriege gab es in seiner Zeit genug. Er achtete darauf, dass Vergebung und Versöhnung zum Ziel des menschlichen Handelns wurde, und schließlich wandte er sich gerade den Zweiflern, den Ungläubigen und Irrlehren zu – und er tat es nicht verurteilend, sondern verständnisvoll, und nicht wenige begriffen dadurch, dass dieser Jesus Christus, der Gekreuzigte, tatsächlich der Auferstandene ist, unser Herr und Gott.

Deshalb sagt der heilige Franz von Sales: „Euer König … ist der gekreuzigte Herr Jesus Christus, unter dessen Herrschaft ihr überall wohl geborgen seid. … Seid also unbesorgt, nichts wird euch fehlen. Sorgt nur dafür, dass ihr in der Liebe und Treue wachst. Haltet euch dicht an seiner Seite, dann wird alles recht werden. Lasst euch alles von ihm lehren, lasst euch in allem von ihm beraten. Er ist der treue Freund, der mit euch gehen wird, der euch lenken wird, der sich um euch annehmen wird. Von ganzem Herzen bitte ich ihn um diese Gnade“ (DASal 2,96).

Die Osterzeit macht uns jedes Jahr darauf aufmerksam, dass all das mit Jesus Christus, das Johannes in seinem Evangelium aufgeschrieben hat, deshalb geschah, damit wir das Leben haben. Darum geht es und dafür sollten wir uns zusammen mit Jesus Christus, unserem gekreuzigten und auferstandenen König einsetzen: für Frieden, Versöhnung und Barmherzigkeit. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS