Predigt zum Ostermontag (Lk 24,13-35)

Begegnung

Der heilige Franz von Sales und die heilige Johanna Franziska von Chantal haben die Ordensgemeinschaft, die sie vor 400 Jahren ins Leben gerufen haben, „Schwestern von der Heimsuchung Mariens“ genannt. Dieser Name erinnert an den Besuch der Gottesmutter Maria, die von Jesus schwanger war, bei ihrer Verwandten Elisabet, die Johannes den Täufer unter ihrem Herzen trug. Zwei schwangere Frauen begegnen einander – und durch diese Begegnung entsteht das Magnifikat, das Lob Gottes: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter“.

Genau dieses Ereignis des Lukasevangeliums bildet die Mitte im Leben der Heimsuchungsschwestern. Heimsuchung bedeutet Begegnung – und zwar eine Begegnung, die sich so zu gestalten hat, dass durch diese Begegnung Gott gepriesen wird.

Der Text aus dem Lukasevangelium, den wir heute gehört haben, berichtet ebenfalls von einer Begegnung. Diese Geschichte von den Emmausjüngern erweitert oder ergänzt also all das, was Heimsuchung bedeutet, ergänzt für jede Christin und jeden Christen unser Verhalten, wie wir einander, den anderen und Gott begegnen sollen.

Franz von Sales hat übrigens diesen Zusammenhang dieser beiden Begegnungsgeschichten aus dem Lukasevangelium – Heimsuchung und Emmaus – in seinem Theotimus ebenfalls beschrieben:

„Zuweilen … fühlt die Seele an einer gewissen innerlichen Freude, dass Gott ihr gegenwärtig ist, und das macht sie überaus glücklich. So erging es der hl. Elisabet, als Unsere Liebe Frau sie besuchte. Andere Male brennt das Herz vor Freude, in der Gegenwart Gottes zu sein, ohne diese recht zu merken, wie bei den Jüngern von Emmaus; sie wurden sich der großen Freude, die sie beim Gehen mit dem Herrn empfanden, erst bewusst, als sie ankamen und ihn beim göttlichen Brotbrechen erkannten (Lk 24,31-35).“ (DASal 3,301)

Was lehrt uns also die Begegnung der Emmausjünger für die Gestaltung unserer Begegnungen im Glauben und in unserem Leben?

Begegnung im christlichen Sinne bedeutet zunächst einmal: auf dem Weg sein. Niemand von uns hat sein Ziel schon erreicht. Wir sind unterwegs. Jeden Tag von neuem machen wir uns auf den Weg. Einmal froh, einmal traurig, einmal voller Tatendrang, einmal lustlos und müde.

Begegnung bedeutet auch: miteinander reden über all das, was uns auf dem Herzen liegt; und es bedeutet: aufeinander hören, was der andere zu sagen hat, egal wie klug oder unklug, wie spannend oder langweilig das auch sein mag.

Begegnung bedeutet auch: sich immer bewusst zu sein, dass Gott selbst es sein könnte, der bei uns in unserer Mitte ist, auch wenn wir ihn nicht erkennen. Jeder Mensch, dem wir begegnen, kann eine Gottesbegegnung sein.

Begegnung bedeutet auch: miteinander über den Glauben reden, miteinander die Bibel zu teilen, sich gegenseitig das Wort Gottes der Heiligen Schrift auszutauschen und zu schenken.

Begegnung bedeutet: Gott in sein Leben einladen: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden“. Gott in die Mitte unseres Lebens holen, dorthin, wo wir leben und arbeiten, essen und trinken – in den ganz gewöhnlichen Alltag also. Dort möchte Gott dabei sein.

Begegnung bedeutet schließlich: Gott im Brotbrechen zu erkennen – im Sakrament der Eucharistie. Die Heilige Messe ist der Höhepunkt, die Sonne und die Quelle unseres Glaubens. Ohne Eucharistie ist christlicher Glaube unmöglich. Er stirbt, er verdorrt und verhungert. Die Eucharistie jedoch bringt unseren Glauben wieder zum Brennen. Sie öffnet unsere Augen und unsere Herzen, und wir erhalten die Kraft, diesen Glauben hinauszutragen in die Welt – oder wie die Emmausjünger zurückzulaufen nach Jerusalem und dort zu verkünden: Der Herr ist wahrhaft auferstanden.

Auch das bedeutet Begegnung: der Welt verkünden, das Christus lebt, dass er auferstanden ist, dass er der Sohn Gottes ist, der Weg, die Wahrheit und das Leben. Dass der Glaube an ihn das Leben verheißt, das Leben in Fülle.

Wer das Evangelium von den Emmausjüngern Schritt für Schritt betrachtet, weiß eigentlich genau, was von ihm als Christ in seinem alltäglichen Leben erwartet wird, nämlich:

Unterwegs sein, miteinander reden, aufeinander hören, sich die Gegenwart Gottes bewusst machen, sich miteinander über den Glauben, das Wort Gottes in der Heiligen Schrift austauschen, Gott in sein alltägliches Leben einladen, ihm begegnen in der Eucharistie, und der Welt verkünden: „Jesus lebt“. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS