Predigt zum Requiem P. Franz Peer OSFS

Gott suchen und finden

„Die Zeit, Gott zu suchen, ist das Leben.
Die Zeit, Gott zu finden, ist der Tod.
Die Zeit, Gott zu besitzen, ist die Ewigkeit.“

Mit diesen sehr einfachen Worten umschreibt der heilige Franz von Sales das Geheimnis des Lebens eines Menschen. Und ich glaube, dieses Wort hilft auch uns, das Leben und Sterben unseres Mitbruders P. Franz Peer besser zu verstehen und die Hoffnung auszudrücken, die wir für ihn haben, wenn wir uns heute hier in unserer Kirche an ihn erinnern und für ihn beten.

„Die Zeit Gott zu suchen, ist das Leben.“

Franz von Sales bringt damit eine tiefe Wahrheit ins Wort: Wir Menschen sind unser Leben lang auf der Suche nach dem, was unserem Leben Glück und Erfüllung bringt. In uns Menschen steckt die tiefe Sehnsucht nach Vollkommenheit, nach Freude, nach Frieden, nach Sinn und nach Ewigkeit. Diese Sehnsucht bewegt uns und treibt uns an. Die Wege, die wir dann wählen und gehen, sind unterschiedlich, geprägt von der Zeit, von unserer Kindheit, von äußeren Umständen, von Krankheit und von unserem Innersten, von unserem tiefen Sehnen im Herzen.

Pater Franz Peer wurde am 12. August 1935 in Südmähren ins Leben gerufen. Am Ende des Zweiten Weltkrieges, gerade einmal zehn Jahre alt, wurde er mit seiner Familie aus seiner Heimat vertrieben, was nicht nur sein weiteres Leben prägte, sondern vor allem auch den Zusammenhalt der Familie bleibend festigte. Er liebte seine Familie. Seine Geschwister und Verwandten. Es war für ihn ein fester Brauch, dass er jede Woche ein, zwei Tage, wenn es nur irgendwie ging, bei seinen Verwandten verbrachte. Das war die Heimat, die er brauchte, seine emotionale Heimat, die er nicht verlassen wollte, da er als Kind die geographische Heimat hinter sich lassen musste.

Heimat hat er sicher auch in unserem Orden gefunden. Er sprach bei seiner Familie in Laab davon, dass er heimfahren möchte, heim zu seinen Mitbrüdern und zu seinen Aufgaben in Wien. Vor ungefähr 65 Jahren legte er das erste Mal sein Versprechen ab, nach den drei Gelübden leben zu wollen, und im Juni 1964 wurde er zum Priester geweiht. Ein paar Monate später durfte er dann gleich eine dreifache Hochzeit seiner Geschwister halten, und fortan hat er als Familienseelsorger viele von ihnen getauft und getraut.

Priester war er gerne. Ein Priester, der um seine Berufung wusste, um seine Rolle, Jesus gegenwärtig werden zu lassen. Ob in der Familie, in der Pfarre Kaasgraben, St. Anna, Fortuna, bei den Pfadfindern, … Und er war ein treuer Priester. Das beschreibt ihn gut. Treue bedeutet, verlässlich zu sein, ein Versprechen zu halten, der Familie, dem Orden, seinen Freunden und vor allem auch seiner Berufung zum Ordensmann und Priester treu zu bleiben, sein Brevier bis hin zum letzten Tag zu beten und die Heilige Messe zu feiern.

Zu seiner Treue gehörte auch seine Genauigkeit. Er war viele Jahre in der Buchhaltung des Ordens tätig und einmal im Jahr in jedem Haus als Gast, weil dort die Ein- und Ausgaben zu prüfen waren. Ich war selbst für ein paar Jahre der Geprüfte, und nach dem ersten Mal gewarnt, dass P. Peer nicht nur jeden Schilling, sondern jeden Groschen belegt haben wollte. Da gab es kein Entrinnen.

Kaum jemand wird wissen, dass Franz als Kind ein richtiger Lausbub war. Ein lieber Lausbub, der aber trotzdem nichts ausgelassen hat, was man so als Bub anstellen konnte. Von einem Pfadfinder habe ich erfahren, dass er sich als sudetendeutsches Kind mit den tschechischen Kindern nicht nur gestritten, sondern sich auch mit Holzscheitern beworfen haben soll. Kann man sich kaum vorstellen.

Er hat immer wieder mal den Wunsch ausgesprochen, in die Mission zu gehen, allerdings wurde durch eine Krankheit als Jugendlicher sein Herz so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass dadurch seine Lebensplanung stark beeinflusst und verändert wurde.

Oft ist es ja so, dass man durch eine Krankheit das Interesse am Anderen und auch für andere verliert, weil man zu sehr mit sich und seiner Krankheit beschäftigt ist. Das war bei P. Peer überhaupt nicht der Fall. Er war und blieb jemand, der gerne nachgefragt hat, der sich interessiert und viel gelesen hat, der neugierig auf jemanden zugegangen ist, und ihm oder ihr zu verstehen gab, dass er oder sie wichtig für ihn ist. Das galt in der Familie und auch bei uns im Orden.

Und bei den Pfadfindern, wo er selbst das Versprechen ablegte und für viele Jahre fixer Bestandteil des Führungsteams war. Im Sommer besuchte er sie am Sommerlager, feierte Gottesdienste, war bei Theaterproben und -abenden dabei, spielte auf seiner Gitarre, erzählte Geschichten und hielt als Nikolaus den Krampus vor allzu vielen Schlägen zurück. „Er war“, wie ein Pfadfinder schrieb, „ein herzensguter, bescheidener Mensch, der so viel an Wärme ausstrahlen konnte.“

„Die Zeit Gott zu suchen, ist das Leben.“ Am vergangenen Donnerstag, am 1. Juni 2023, hat sein Leben ein Ende gefunden. In eurem Kreis, mit euren Gebeten. Während ihr das Lied „Segne Du Maria“ an seinem Bett gesungen habt, hat er sein Leben an seinen Schöpfer zurückgegeben. Ganz friedlich.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei Familie Peer bedanken, für die viele Zeit, die liebevolle Betreuung, die ihr eurem Bruder und unserem Mitbruder in den letzten Jahren geschenkt habt. Und vor allem bei Ihnen, liebe Frau Margarete Peer, weil Sie so viel an Zeit und Kraft und Liebe Ihrem Bruder geschenkt haben. Ganz lieben Dank dafür.

So schlimm es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren, so sehr tröstet der Gedanke, dass für ihn der Tod jenen Zeitpunkt bedeutet, die treue und liebevolle Suche nach der Gegenwart Gottes zu beenden, um ihn endlich zu finden.

Es war seine lebenslange Aufgabe und Berufung: Gott im Leben, im Alltag, in den Menschen zu suchen; etwas von seiner, Gottes Gegenwart im jetzigen Leben, im irdischen Leben zu erfahren, diese Liebe Gottes weiterzugeben und ihn im Tod zu finden, um dann immer bei ihm zu sein.

Bei Gott sein, Gott besitzen heißt nichts anderes als in seiner Nähe sein, und zwar für immer, unbegrenzt und uneingeschränkt, in Ewigkeit. Das ist es, was uns in dieser Stunde Trost und Zuversicht schenkt: im Glauben zu wissen, dass unser P. Peer das ewige Leben hat und bei Gott gut aufgehoben ist. Es ist der bleibende Ort, wo es keine Sorgen, keine Krankheit und keinen Tod mehr gibt, sondern wo das volle Leben ist.

So feiern wir jetzt mit unserem Mitbruder und für ihn die Eucharistie, die Feier des Lebens und des großen Geheimnisses der Auferstehung, und vertrauen ihn der unendlichen Barmherzigkeit Gottes an. Denn „die Zeit, Gott zu suchen, ist das Leben. Die Zeit, Gott zu finden, ist der Tod. Die Zeit, Gott zu besitzen, ist die Ewigkeit“. Amen.

Provinzial P. Josef Költringer OSFS, Wien-Kaasgraben, 13.6.2023