Predigt zum Hochfest Geburt des heiligen Johannes des Täufers (Lk 1,57-66.80)

Sein Name sei Johannes

Vom heiligen Franz von Sales gibt es eine sehr schöne Meditation über die Würde des Menschen:

„Erwäge die ewige Liebe, die Gott uns erwiesen hat. Schon ehe unser Herr und Heiland am Kreuz für uns litt, warst du durch Gottes unendliche Güte Gegenstand seiner ewigen Entschlüsse. Gott liebte dich; wann begann er, dich zu lieben? Als er begann, Gott zu sein, d. h. da er immer war, ohne Beginn und Ende, hat er dich immer und ewig mit grenzenloser Liebe geliebt. Von Ewigkeit hält er die Gnaden und Gunsterweise, die er dir gab, für dich bereit.“ (DASal 1,257; Philothea V,14). Das bedeutet: Die unantastbare Würde eines jeden Menschen, egal welcher Kultur, Rasse, Religion, ob arm oder reich, gesund oder krank, … ist fundamentales Element des salesianischen Menschenbildes. Der Grund für diese einzigartige Würde eines jeden Menschen ist Gott selbst, der die Liebe ist.

Das heutige Fest der Geburt des heiligen Johannes des Täufers macht uns all das, was Franz von Sales in seiner Meditation zum Ausdruck brachte, deutlich. Die Eltern des Johannes – Elisabeth und Zacharias – werden gefragt, wie ihr Kind heißen soll. Sie sagen: „Sein Name sei Johannes“. Das war für die Nachbarn und Verwandten eine Überraschung, weil niemand sonst in der Familie einen solchen Namen trug. Und trotzdem beharrten die Eltern darauf, weil ihnen dieser Name von Gott selbst mitgeteilt wurde: „Sein Name sei Johannes!“

In der Bibel hat jeder Name eine besondere Bedeutung. Man war überzeugt: Im Namen spiegelt sich das Wesen des Menschen wider. Und was bedeutet nun dieser Name „Johannes“ auf Deutsch? Er bedeutet: „Gott ist gnädig“ oder „Gott hat dir Gnade erwiesen“. Mit diesen Worten „gnädig“ und „Gnade“ können wir heute leider kaum mehr etwas anfangen. Daher müssen wir andere Worte finden. Heute könnten wir sagen: Johannes bedeutet: „Gott ist gut zu dir!“ – „Gott hat dich reich beschenkt!“

Und genau das wird dann auch die wesentliche Aufgabe des Johannes des Täufers in seinem Leben werden. Er wird mit seinem ganzen Wesen, seinen Worten und Handlungen Zeugnis ablegen für Jesus Christus – dem endgültigen Beweis dafür, dass Gott zu den Menschen gut ist, dass er den Menschen reich beschenkt, dass er jeden Menschen auf einzigartige Weise liebt.

All das, was sich im heutigen Evangelium abspielt, erleben wir Christen in jeder Taufe. Die erste Frage, die den Eltern gestellt wird, lautet: „Welchen Namen haben Sie ihrem Kind gegeben!“ Das ist nicht einfach eine rhetorische Frage, sondern soll von Anfang an klar stellen: Hier wird nicht irgendjemand getauft, irgendeine Nummer unter Millionen anderer, sondern ein von Gott einzigartig geliebtes Geschöpf mit einem einzigartigen Namen, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Kultur, arm oder reich, gesund oder krank. Und dieses von Gott einzigartig geliebte Geschöpf spricht Gott mit Namen an und sagt zu ihm: „Ich bin gut zu dir“, „Ich habe dich reich beschenkt“.

Wir Christen können die Taufe eigentlich nicht hoch genug schätzen. So kann es uns allen wieder einmal sehr gut tun, anlässlich des Geburtsfestes von Johannes dem Täufer über unsere Taufe nachzudenken, vor allem über das Geschenk, das wir durch die Taufe erhalten haben:

„Erwäge die ewige Liebe, die Gott dir erwiesen hat. Gott liebte dich; wann begann er dich zu lieben? Als er begann, Gott zu sein, d. h. da er immer war, ohne Beginn und Ende, hat er dich immer und ewig mit grenzenloser Liebe geliebt“ (DASal 1,257; Philothea V,14). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS