Predigt zum Herz-Jesu-Fest (Lk 15,3-7)

Bollwerk gegen Gewalt und Macht

Das Herz-Jesu-Fest, das wir heute feiern, ist nicht nur deshalb ein zutiefst salesianisches Fest, weil es auf die Visionen zurückgeht, die die Salesianerin Margareta Maria Alacoque vor 350 Jahren erhalten hat. Bei diesen Visionen erschien ihr Jesus Christus und gab ihr den Auftrag, sich dafür einzusetzen, dass sein Herz in der ganzen Welt verehrt wird, indem jeden ersten Freitag im Monat der Herz-Jesu-Freitag gefeiert wird, und acht Tage nach dem Fronleichnamsfest das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu.

Zutiefst salesianisch ist die Herz-Jesu-Verehrung vor allem deshalb, weil all das, was wir mit der Herz-Jesu-Verehrung verbinden, auch der salesianischen Spiritualität, also dem Leben und Werk des heiligen Franz von Sales ganz wesentlich eingeprägt ist.

Wer sich mit dem heiligen Franz von Sales beschäftigt, der merkt sehr bald, dass es ihm vor allem um die Liebe geht, und dabei vor allem um Herzlichkeit Barmherzigkeit. Gottesbeziehung ist für Franz von Sales Herzensbeziehung, also Austausch der geschenkten Herzen: Gott schenkt mir sein Herz, ich schenke ihm mein Herz. Glaube ist in erster Linie nicht Kopfsache, sondern Herzensangelegenheit. Es geht um die Beziehung Gottes zum Menschen und die Beziehung des Menschen zu Gott und zu den anderen als eine Beziehung von Herz zu Herz. Die herzliche Gottesbeziehung soll durch mich auf die Menschen ausstrahlen, damit jeder und jede spüren und erfahren kann, dass Gott Liebe ist und jeder Mensch von Gott auf einzigartige Weise geliebt werden.

Die Welt, in der wir leben, spielt wieder einmal völlig verrückt. Hass, Gewalt, Terror, Krieg, politischer und religiöser Extremismus und Fanatismus nehmen überall zu … Geld und Macht zählen, und dafür ist jedes Mittel recht. Die Würde des Menschen, die Würde der Schöpfung, der Schutz der Armen und Schwachen … all das rückt zur Seite, weil eine würdige Betreuung viel zu viel kostet und damit keine Wahlen zu gewinnen sind.

Genau gegen solche unsozialen, menschen- und naturverachtenden Entwicklungen stellt sich das Herz Jesu Fest wie ein Bollwerk entgegen und schreit: Stopp! Das entspricht auf keinem Fall dem, was Jesus gelebt und verkündet hat, wofür der Sohn Gottes Mensch wurde und am Kreuz elendig zugrunde gegangen ist, wozu er all jene beauftragte, die ihm als seine Jüngerinnen und Jünger, als Christinnen und Christen folgen. „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben,“ (Joh 13,34) lautet seine Botschaft, und „Der Größte von euch soll euer Diener sein“ (Mt 23,11), aber nicht der, der mit Gewalt und Geld seinen Willen durchsetzt. Seid barmherzig! Achtet auf die Kleinen und Schwachen, die Ausgestoßenen und Sünder. Nehmt euch ein Beispiel daran, was ihr im heutigen Evangelium gehört habt, dass das eine verlorene Schaf für Gott wichtiger ist als die anderen Neunundneunzig. Jesus ist eben der gute Hirte, der das Verlorene Sucht und sich auf die Seite jener stellt, die in der Gesellschaft an den Rand geschoben werden.

Wir alle miteinander können die vielen Konflikte in der Welt und die Machtspiele der Reichen und Mächtigen nicht ändern, aber in unseren kleinen Welten, in der Familie, Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in der Pfarrgemeinde können wir es sehr wohl. Das Herz Jesu Fest lädt uns dabei zu mehr Herzlichkeit und Barmherzigkeit ein, zuallererst genau dort, wo wir leben und arbeiten. Die Herz-Jesu-Verehrerin, der Herz-Jesu-Verehrer ist nämlich ein herzlicher Mensch, dessen Leben von Gott und von den Menschen geliebt wird. Das sagt nicht nur der heilige Franz von Sales, sondern auch der verstorbene Papst Franziskus in seiner letzten Enzyklika, die er kurz vor seinem Tod – also praktisch als sein Vermächtnis – veröffentlichte. In dieser Enzyklika „über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu“ heißt es: „Die beste Antwort auf die Liebe des Herzens Jesu [ist] die Liebe zu unseren Schwestern und Brüdern; es gibt keine größere Geste, die wir Jesus anbieten können, um seine Liebe mit Liebe zu erwidern“ (Dilexit nos 167).

Vielleicht hat Papst Franziskus vor seinem Tod noch mehr gespürt, dass unsere Welt gerade jetzt vor allem Barmherzigkeit und Herzlichkeit braucht, um die Spirale der Gewalt und Macht, in der wir uns gerade drehen, zu durchbrechen. Genau daran möchte uns das Herz-Jesu-Fest und die Herz-Jesu-Verehrung erinnern, und daher ist es so wichtig, dass wir es heute feiern. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS