Predigt zum 11. Sonntag im Jahreskreis (Mt 9,36-10,8)

Seien wir, was wir sind

Ein beliebtes Wort des heiligen Franz von Sales, das gerne zitiert wird, lautet: „Seien wir doch, was wir sind, und seien wir es gut.“ Der Grund dafür wird aber meistens nicht erwähnt, nämlich: „um Gott Ehre zu machen, dessen Werk wir sind.“ (DASal 6,95). Geschrieben hat Franz von Sales diesen Satz an eine Frau, die mit ihrer Lebenssituation oft unzufrieden war. Sie schielte immer auf andere und meinte, wenn ich so wäre wie diese, dann ginge es mir besser. Das bringt nichts, meinte Franz von Sales, das macht uns nur unglücklich. Seien wir also, was wir sind, und seien wir das gut, um Gott Ehre zu machen, der uns so erschaffen hat.

Im heutigen Evangelium wählt sich Jesus die zwölf Apostel aus. Beim genauen Hinschauen war das eine ziemlich bunte Mischung: Da ist Petrus, der große Worte macht, aber kaum, dass es ernst wird, den Herrn verleugnet. Da gibt es den Thomas, der zweifelt, der Beweise haben will für seinen Glauben. Da ist Matthäus, der geldgierige Zöllner, und Simon, der politische Eiferer, oder Johannes, der Lieblingsjünger, der am liebsten an der Brust des Herrn weilt und die Welt um sich vergisst. Mit dieser bunten Apostelschar möchte Jesus das Reich Gottes aufbauen, unreine Geister austreiben, Krankheiten und Leiden heilen. Die verlorenen Schafe sollen sie zurückholen und sogar Tote sollen sie wieder aufwecken.

Dazu eine kleine Legende zum Nachdenken: Nachdem Jesus Christus in den Himmel aufgefahren war, wurde er von den Engeln gefragt, wie es denn nun auf der Erde weitergehen soll. Jesus Christus antwortete: „Ich habe meine Jüngerinnen und Jünger, die werden das machen.“ Da bekamen die Engel einen kleinen Schock, denn sie kannten die Fehler und Schwächen dieser Jüngerinnen und Jünger sehr genau. Sie fragten erschrocken: „Herr, hast du den wirklich keinen besseren Plan?“ Und Christus entgegnete: „Nein, einen anderen Plan habe ich nicht.“

Wenn ich mir unsere Kirche, die Diözesen, die Pfarrgemeinden, die Klöster und Ordensgemeinschaften so anschaue … von den Bischöfen bis zu den Erstkommunionkindern und Täuflingen … dann geht es mir manchmal ähnlich. Lieber Gott, hast du den wirklich keinen anderen Plan? All diese Leute sollen Arbeiter in deinem Weinberg sein? Sollen dir helfen, das Reich Gottes aufzubauen, deine Botschaft in dieser Welt zu verkünden, damit all das, wofür du gelebt und gestorben bist, lebendig bleibt?

Ja, aber genau so ist es: Gott hat keinen anderen Plan … er möchte mit uns, die wir hier versammelt sind, sein Werk vollbringen. Vielleicht sollten wir uns das jeden Tag von neuem vor Augen halten. Ich, so wie ich bin, trotz meiner Fehler und Schwächen, bin von Gott berufen, seine Mitarbeiterin, sein Mitarbeiter in dieser Welt zu sein. Dazu bin ich von Christus gesendet, umsonst habe ich empfangen, umsonst soll ich geben.

Wenn wir uns die zweitausendjährige Kirchengeschichte anschauen, dann ist in dieser Kirche, also in dieser Versammlung der Berufenen, wirklich eine Menge Unsinn geschehen, ja sogar himmelschreiende Sünden … bis heute. Stichwort: Machtmissbrauch. Anstatt die Dämonen auszutreiben, wurden sie hereingeholt. Aber … und das darf man nicht vergessen … es geschah und geschieht auch eine große Menge an Gutem, das deutlich macht, dass das Reich Gottes wächst, blüht und gedeiht. Sehr vieles davon geschieht nicht im Rampenlicht, sondern im Verborgenen, und es geschieht von Menschen, die wir gar nicht kennen oder denen wir so etwas gar nicht zutrauen.

Der Rat des heiligen Franz von Sales bleibt also weiterhin gültig und aktuell: „Seien wir doch, was wir sind, und seien wir es gut, um Gott Ehre zu machen, dessen Werk wir sind.“ Gott hat keinen anderen Plan. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS