Predigt zum Hochfest Maria Empfängnis (Lk 1,26-38)

Ja zu Gottes Plänen

Dieses Evangelium, das wir soeben gehört haben, ist nicht nur sehr bekannt, sondern am heutigen Festtag leider auch ein wenig irreführend. Maria erhält vom Erzengel Gabriel – dieser Name bedeutet übrigens „Gott ist meine Stärke, meine Kraft“ – die Information, dass sie ein Kind gebären wird. Dieses Kind wird Jesus sein, der Sohn des Höchsten, der Sohn Gottes.

So weit, so gut … diese Geschichte kennen wir eigentlich recht gut, sie ist aber nicht das, was wir am heutigen Fest Maria Empfängnis feiern. Heute feiern wir nämlich die Zeugung Marias durch ihre Eltern Anna und Joachim, neun Monate vor ihrer Geburt. Vor allem feiern wir, dass diese Zeugung von Anfang der Welt von Gott geplant war. Noch vor aller Schöpfung plante Gott seine Menschwerdung, und das nicht irgendwie, sondern durch Maria. Und daher hat er Maria vom ersten Augenblick ihrer Zeugung an dazu erwählt, die Mutter Jesu zu werden. Genau das will uns das Dogma der „ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ deutlich machen. Und genau das wird heute gefeiert: Maria hat bei Gott „Gnade“ gefunden, sagt der Engel Gabriel. Das heißt: Gott hat sie reich beschenkt und dazu auserwählt, die Mutter Gottes zu werden.

Der heilige Franz von Sales beschreibt all das natürlich mit noch viel anmutigeren Worten. Er sagt zum Beispiel: „So wuchs unsere heilige Herrin wie die Morgenröte von ihrer Empfängnis zur Mutterschaft. Daher fand sie der Engel voll der Gnade und der Heilige Geist kam auf sie herab.“ (DASal 9,193).

Im Magnifikat, im Lobgesang Marias bei ihrer Verwandten Elisabet kommt das noch einmal zum Ausdruck: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinem Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“

Wir feiern also heute nichts anderes als die Größe Gottes, der ein einfaches Mädchen dazu auserwählte, um Mensch zu werden, damit er ganz bei den Menschen sein kann und wir die Liebe spüren, mit der Gott uns liebt.

Dieser Plan Gottes war aber auch mit einem Risiko verbunden. Dieses Risiko bestand in der Freiheit des Menschen. Nur wenn Maria in aller Freiheit zum Plan Gottes Ja sagt, nur dann ist seine Menschwerdung möglich. Gott will den Menschen nicht zwingen, nicht einmal zu seinem Glück. Er will unsere freie Zustimmung, unser freies Ja zu seinem Willen und zu seinen Plänen. Und genau dieses Ja hat Maria gegeben … „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Ohne diese Zustimmung wäre der Plan Gottes nicht möglich gewesen, zumindest nicht so, wie er von Anfang an, noch vor aller Schöpfung gedacht war.

Dieses Ja Marias war kein einfaches Ja. Sie ist zutiefst erschrocken, hat Gottes Pläne nicht verstanden, musste voll und ganz darauf vertrauen, dass vor Gott nichts unmöglich ist, und sie wusste, dass sich mit diesem Ja ihr Leben völlig verändern wird. Dennoch sagte sie: Ja, Gott, dein Wille geschehe. Dieses ihr freiwilliges Ja rechtfertigt die große Verehrung, die Maria in der gesamten Christenheit zuteilwird, auch wenn wir mit dem einen oder anderen Mariendogma, mit der einen oder anderen Art und Weise dieser Verehrung unsere Schwierigkeiten haben. All das aber ist nichts anderes als die Anerkennung dessen, dass Maria zum göttlichen Plan seiner Menschwerdung aus freien Stücken Ja sagte, mit allen Konsequenzen und mit ihrer ganzen Seele – aus ganzem Herzen.

Maria ist daher auch unsere verständnisvolle Fürsprecherin in allen Belangen unseres Lebens, in denen wir Gottes Pläne und seinen Willen nicht verstehen, ja wo wir erschrecken und an Gott zweifeln. Es ist daher kein Wunder, dass die Menschen zu allen Zeiten und auf allen Kontinenten gerade bei Maria Zuflucht gesucht haben und suchen, um all ihre Anliegen bei ihr abzuladen. Ihr „Schutzmantel“ ist über unsere Welt ausgebreitet und sie sagt uns: Ich verstehe euch absolut, aber sagt trotzdem Ja zu Gott, vertraut ihm, so wie ich ihm vertraute, denn er ist unsere Stärke und unserer Kraft. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS