Predigt zum Fest Maria Himmelfahrt (Lk 1,39-56; 1 Kor 15,20-27a)

Ein Fest der Freude und Hoffnung

Eigentlich feiern wir heute ein Requiem oder eine Seelenmesse. Wir erinnern uns nämlich an den Tod der Gottesmutter Maria. Dieses Fest wird aber nicht in Trauer und Schmerz gefeiert, sondern als Hochfest – als großes, hohes Fest der Freude. Wir nennen dieses Fest daher auch nicht „Todestag Mariens“, sondern „Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel“. Und damit wird dieses Fest für uns alle auch zu einem Fest der Hoffnung. Es sagt uns nämlich: Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern der Himmel. Wir feiern also, genauso wie an Ostern, ein ein Auferstehungsfest. Diese Auferstehung gilt nicht nur für Jesus Christus, sondern für alle Menschen, ja der gesamten Schöpfung. Sterben und Tod gehören zum Leben dazu, ja, das ist richtig, niemandem wird das erspart, aber das ist nicht das Ende, sondern die Vollendung. Der Schöpfungsplan Gottes sieht vor, dass es einen Himmel gibt, wie wir das nennen, ein ewiges Leben, ein Leben in der immerwährenden Gegenwart unseres liebenden Gottes.

Wie das einmal genau aussieht, das wissen wir natürlich nicht. Wir können dafür nur Bilder verwenden, so wie es zum Beispiel auch der heilige Franz von Sales getan hat. Er beschreibt den Tod mit dem Bild eines Wassertropfens, der in den Ozean fällt. Dann lässt er diesen Wassertropfen sprechen und voll Freude ausrufen: „O ihr Sterblichen, ich lebe wirklich, aber ich lebe nicht selbst, sondern dieser Ozean lebt in mir.“ Und er erklärt: „Die in Gott eingeströmte Seele stirbt nicht. Wie könnte sie auch sterben, wenn sie ins Leben versunken ist? Die Seele verliert ihr Leben nicht, sondern Gott lebt in ihr.“ (DASal 3,307-308). Wie ein Tropfen im Ozean der Liebe Gottes, so werden wir leben.

Eigentlich hat uns das sogar schon die Naturwissenschaft bewiesen, als sie das Gesetz von der Erhaltung der Energie entdeckte, also den so genannten Energieerhaltungssatz. Dieser besagt: Energie geht nicht verloren, sie wird umgewandelt. Religiös gesprochen heißt das: Nichts, was von Gott erschaffen wurde, geht verloren … es wird nur verwandelt.

Jesus Christus, so schreibt der Apostel Paulus, hat den Tod als unseren letzten Feind entmachtet. In ihm werden wir alle lebendig gemacht. Und etwas später fügt er wie einen Energieerhaltungssatz hinzu: „Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht sterben, wir werden alle verwandelt werden. Denn das Verwesliche muss sich mit Unverweslichkeit bekleiden und das Sterbliche mit Unsterblichkeit“ (1 Kor 15,51.53).

Daher darf jeder von uns immer wieder von neuem und vor allem im Angesicht des Todes das Magnifikat Mariens anstimmen und beten: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinem Retter. Der Mächtige hat Großes an mir getan, sein Name ist heilig.“

Letztlich ist genau das die große Botschaft unseres christlichen Glaubens, die Botschaft der Osternacht und die Botschaft des heutigen Festes der Himmelfahrt Marias: Mit dem Tod ist nicht alles aus, wir verschwinden nicht in einem bodenlosen, ewigen Nichts, sondern wir werden aufgefangen von einem Gott, der uns erschaffen hat und der uns liebt. In ihm leben wir in Ewigkeit. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS