Predigt zum 19. Sonntag im Jahreskreis (Mt 14,22-33)

Fürchtet euch nicht!

Blickt man auf die unterschiedlichsten Ereignisse in der Welt, so kann man durchaus zum Ergebnis kommen, dass uns das Wasser bis zum Hals steht – und manchmal sogar schon darüber.

Da gibt es die vielen Naturkatastrophen, ausgelöst durch den Klimawandel. Die Wetterextreme nehmen zu – Überschwemmungen, Dürre, Unwetter, Waldbrände. Da gibt es die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen in vielen Ländern, die Gefahren der atomaren Hochrüstung und des Terrors, die Missachtung der Menschenrechte – und die Uneinigkeit der Politik. Da sind die Flüchtlingswellen, die wachsende Kluft zwischen arm und reich, die Auswirkungen der Computertechnologie und künstlichen Intelligenz, die Entwicklungen in der Medizin und Gentechnik. Der Blick auf die katholische Kirche macht die Lage nicht besser: Austrittswellen wegen der Missbrauchsvorwürfe, Priestermangel, heillose Diskussionen über den Synodalen Prozess und so weiter.

Wir können uns bei all dem so richtig hineinfühlen in die Situation der Jünger auf stürmischer See. Sie werden von den Wellen hin und hergeworfen, so haben wir im Evangelium heute gehört. Und dann: „Sie schrien vor Angst“. Und Jesus hat sie alleingelassen … er stieg auf einen Berg, um allein zu beten.

Die Botschaft des heutigen Evangeliums ist aber trotzdem eine ganz andere. Denn inmitten dieses Sturms auf dem See, inmitten der dunklen Nacht erscheint Jesus mit den Worten: „Habt Vertrauen, ich bin es, fürchtet euch nicht!“

Diese Botschaft wollte auch Papst Franziskus vor einer guten Woche den hunderttausenden Jugendlichen vermitteln, die sich am Weltjugendtreffen in Portugal versammelt hatten. „Fürchtet euch nicht!“ waren seine Worte am Ende des Abschlussgottesdienstes.

Das Verhalten des Petrus möge uns inmitten der Stürme des Lebens ein Vorbild sein. Er glaubt daran, dass Jesus Christus da ist, und er wagt den Schritt über den Bootsrand hinaus, ihm entgegen. Und als er unterzugehen droht, ergreift ihn die Hand Jesu, die ihn rettet.

Selbst in der ausweglosesten Situation sollen wir auf Jesus Christus vertrauen und uns an seiner Hand festhalten – egal, was um uns herum auch geschieht. Er ist unser Retter und Heiland, der wahrhaftige Sohn Gottes.

„Wer auf Gott vertraut, der wird nicht untergehen“ – das war das Lebensmotto des heiligen Franz von Sales. Dieses Gottvertrauen hat ihn dazu bewegt, selbst in den widrigsten und ausweglosesten Situationen nicht aufzugeben, sondern weiterzugehen und weiterzuarbeiten, als Student, als Priester, als Bischof, gegenüber den Herausforderungen seiner Zeit der Kriege, der Armut, der Streitigkeiten und Konflikte in der Kirche. „Gott hält in den Labyrinthen und Irrwegen unser Führungsseil.“ (DASal 7,133) … wer es nicht loslässt, der wird sich nicht verirren. Wir sprechen heute vom „salesianischen Optimismus“. Viel besser aber wäre es, diese Haltung „salesianisches Gottvertrauen“ zu nennen, denn sein Lebensoptimismus war immer davon getragen, dass er in der Gegenwart Gottes lebt, dass Gott ihn nicht verlässt und ihm sogar auf den stürmischen Wellen begegnet. Dass er kein Geist ist, den man fürchten muss, sondern ihm seine Hand entgegenstreckt, die ihn hält und nicht untergehen lässt.

Von diesem salesianischen Gottvertrauen sind auch die Worte von Papst Franziskus an die Jugendlichen geprägt. Das, was er ihnen sagte, können auch wir uns merken. Er meinte: „Euch …, die ihr große Träume hegt, die aber oft von der Angst getrübt werden, sie nicht verwirklicht zu sehen; euch, die ihr manchmal denkt, dass ihr es nicht schafft; euch, … die ihr in diesen Zeiten versucht seid, euch entmutigen zu lassen, euch für unzulänglich zu halten. Euch, … die ihr die Welt verändern wollt und für Gerechtigkeit und Frieden kämpft; euch, … die ihr euch anstrengt und Fantasie aufbringt, aber den Eindruck habt, dass dies nicht genügt; euch, … die die Kirche und die Welt brauchen wie die Erde den Regen; euch, … die ihr die Gegenwart und die Zukunft seid; euch sagt Jesus: Fürchtet euch nicht!“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS