Predigt zum Fest Darstellung des Herrn (Lk 2,22-32)

Das Licht einer Kerze

Für uns ist elektrisches Licht etwas völlig Normales. Wir bedienen den Licht-Schalter und schon wird die Nacht zum Tag. Mittlerweile sprechen wir sogar von Licht-Verschmutzung. Das war Jahrtausendelang nicht so. Eine Kerze war daher etwas Besonderes, etwas Teures, ein Luxusgegenstand, den sich nicht alle leisten konnten. Zur Zeit des heiligen Franz von Sales stellte man etwa mit Hilfe der Anzahl und Größe der verwendeten Kerzen seinen Reichtum zur Schau – zum Beispiel bei Begräbnissen: Je mehr Kerzen brannten, umso reicher war die Familie des Verstorbenen.

Der heilige Franz von Sales bestimmte daher in seinem Testament, dass bei seinem Begräbnis um den Sarg herum nur 13 Kerzen aufgestellt werden dürfen. Seither rätseln wir darüber, wie er gerade auf die Zahl 13 kommt. Eine Vermutung ist, dass er damit die 12 Apostel und die Gottesmutter Maria darstellen wollte, die sich im Gebet versammeln, so wie damals im Abendmahlssaal vor dem Pfingstfest.

Das zeigt auch, dass die Menschen Kerzen nicht nur als Luxusgegenstand betrachteten, sondern genauso als besonderes religiöses Symbol. Eine Kerze spendet Licht in der Finsternis: Genauso ist unser Gott, das Licht der Welt, das die Dunkelheit unseres Lebens mit seinem Licht erleuchtet. Eine Kerze spendet Licht, in dem sie sich selbst verzehrt, opfert, hingibt: Genauso opferte sich Jesus am Kreuz, damit wir leben können. Durch das Entzünden einer Kerze machen wir uns bewusst, dass wir in der Gegenwart Gottes leben: So wie das Licht den Raum erfüllt, so ist Gott um uns herum anwesend mit seiner Gegenwart. Eine Kerze gehört daher auch zur unverzichtbaren Grundausstattung einer jeden Heiligen Messe – genauso wie Wein und Brot. Das Fest „Darstellung des Herrn“, im Volksmund „Maria Lichtmess“ genannt, also die „Licht-Messe“ zu Ehren der Gottesmutter Maria, will uns genau diese religiöse Licht-Symbolik deutlich machen. Im Zentrum steht dabei die Aussage des greisen Simeon über den neugeborenen Jesus: „Meine Augen haben das Heil gesehen, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“ Und die Prophetin Hanna lobt Gott für das Kind, das den Menschen das Licht der Erlösung bringt.

Im Evangelium ist aber ebenso von der Dunkelheit die Rede: Vom Schmerz, der das Herz Marias wie ein Schwert durchbohren wird. Genau gegen diese Dunkelheit, den Schmerz und das Leid sendet Gott sein Licht durch seinen Sohn Jesus Christus. Deshalb zünden die Menschen in ihren Anliegen und Sorgen seit Jahrhunderten eine Kerze an, damit ihre Dunkelheit erhellt wird, vor allem dann, wenn einem die Worte über das Leid und den Schmerz im Hals stecken bleiben. Das stille Flackern der Kerze sagt genug: „Gott, mach mein Leben wieder hell.“

Es sind viele Gedanken, die einem am Fest der Darstellung des Herrn durch den Kopf gehen können … bis hin zum Blasius-Segen, der in diesem Zusammenhang auch oft gespendet wird: die beiden überkreuzten Kerzen als Symbol für die heilsame Kraft Gottes gegen Krankheit und Leid.

Lassen wir uns also heute ganz besonders vom Licht Gottes anstrahlen, so wie jene Personen, von denen wir im Evangelium hörten: Maria, Josef, Simeon und Hanna, und erkennen wir in den Kerzen, die wir heute gesegnet haben, die heilsame Gegenwart Gottes mitten unter uns, die uns das Licht des Lebens schenkt.

Ich schließe mit einem Wunsch des heiligen Franz von Sales: „Jesus Christus sei immerdar unser Tageslicht in der Ewigkeit und unsere brennende Kerze im gegenwärtigen Leben.“ (DASal 5,351). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS