Predigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis (Lk 6,17.20-26)
Auf der Seite der Armen
Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, es ist trotzdem eindeutig: Gott steht auf der Seite der Armen, der Hungernden, der Weinenden, der Ausgestoßenen, Geschmähten und Verfolgten.
Die Seligpreisungen und Weherufe Jesu aus dem Evangelium, die wir gerade hörten, rufen uns das wieder deutlich und ungeschminkt in Erinnerung.
Und unser Papst Franziskus weist seit seiner Papstwahl ebenfalls unaufhörlich darauf hin. Und er tut dies auch in seiner Botschaft zum Heiligen Jahr 2025, wo er unmissverständlich Folgendes schreibt:
„Um Hoffnung bitte ich eindringlich für die Milliarden von Armen, denen oft das Lebensnotwendige fehlt. Angesichts immer neuer Wellen der Verarmung besteht die Gefahr der Gewöhnung und Resignation. Aber wir dürfen unseren Blick nicht von solch dramatischen Situationen abwenden, die inzwischen überall anzutreffen sind, nicht nur in bestimmten Gegenden der Welt. Wir begegnen jeden Tag armen oder verarmten Menschen, bisweilen können das gar unsere Nachbarn sein. Sie haben oft weder ein Zuhause noch ausreichend Nahrung für den Tag. Sie leiden unter der Ausgrenzung und der Gleichgültigkeit von vielen. Es ist ein Skandal, dass in einer Welt, die über enorme Ressourcen verfügt, von denen ein Großteil in Rüstungsgüter fließt, die Armen der größte Teil sind, Milliarden von Menschen. Vergessen wir nicht: Die Armen sind fast immer Opfer, nicht Täter.“
Diese klare Positionierung für die Armen, Hungernden, Weinenden, Ausgestoßenen und Verfolgten gründet auf den Worten Jesus. Wo ist Gott? Er ist auf der Seite der Armen. „Was immer ihr einem dieser geringsten Schwestern und Brüder getan oder nicht getan habt, das habt ihr mir getan oder nicht getan“, sagt Jesus. Deshalb zählt das Christentum die caritative Tätigkeit von Anfang an zu seinen Grundsäulen. Unsere größten Heiligen … Franz von Assisi, Elisabeth von Thüringen, Mutter Teresa und Hunderte andere Frauen und Männer … sind Heilige der Nächstenliebe. Bei aller Kritik, die man der Kirche vorwerfen kann, sollte man also nie außer Acht lassen, dass es ohne sie dieses Rufzeichen nicht gäbe, sich für jene Menschen einzusetzen, die am Rande stehen.
Wir sollten also nicht vergessen, uns immer wieder bei all jenen zu bedanken, die sich in unseren Pfarrgemeinden und in den unterschiedlichsten kirchlichen Gremien caritativ engagieren und die Armen im Blick haben: die Caritas, die kategoriale Seelsorge, soziale Projekte, sowie die vielen Spenderinnen und Spendern, die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die all das möglich machen. „Freut euch und jauchzt an jenem Tag“, würde Jesus sagen, „denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein.“ Und der heilige Franz von Sales weiß zu berichten: „Die Liebe zu Gott ist von der Liebe zum Nächsten nicht zu trennen.“ (DASal 2,316). „Der Gipfel der Liebe zu Gott besteht in der Vollkommenheit der Liebe zu unseren Schwestern und Brüdern“ (DASal 4,200).
Das Heilige Jahr 2025 bezeichnet uns Christinnen und Christen als „Pilger der Hoffnung“. Damit ist auch gemeint, dass wir die Hoffnung, die uns selbst trägt, nicht für uns behalten, sondern weitergeben sollen an jene, die keine Hoffnung haben. Unser Motto lautet nicht, „Ich zuerst“ … und dann vielleicht, wenn ich einmal Zeit und Lust habe, auch die anderen. Es ist genau umgekehrt. Selig sind die Armen, die Hungernden, die Weinenden, Gehassten, Ausgestoßenen, Geschmähten und Verfolgten. Dort ist Gott zuhause, dort lässt er sich finden. Natürlich muss ich nicht alle Probleme dieser Welt lösen, aber die Sensibilität für die Nöte ganz in meiner Nähe, die sollte mir nicht abhandenkommen. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS