Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit (Joh 15,1-8)

Getrennt von mir könnt ihr nichts tun

„Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ So die Worte Jesu, die im Zentrum des eben gehörten Evangeliums stehen. Einfacher und deutlicher kann man es eigentlich gar nicht mehr formulieren. Jesus sagt: Ohne mich geht nichts. Und er erklärt das mit dem Bild des Weinstocks und der Rebe. Eine Rebe kann nur Frucht bringen, wenn sie mit dem Weinstock in Verbindung bleibt. Tut sie das nicht, ist die Rebe nutzlos und verdorrt.

Das sollte uns also allen klar sein: Ohne die Verbindung mit Jesus Christus können wir nichts vollbringen. Es ist also wichtig, dass wir diese Verbindung mit Jesus aufrecht erhalten und immer enger werden lassen, so oft es nur geht.

Das geschieht vor allem durch das Gebet in den unterschiedlichsten Situationen des Tages und des Lebens. Es gibt eigentlich keine Zeit und auch keine Situation, in der wir uns nicht mit Jesus im Gebet verbinden können.

Ein weiteres Mittel ist das Hören auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift. Auch dazu sollten wir uns regelmäßig die Zeit nehmen … und schließlich die intensivste Form der Verbindung mit Jesus: die Heilige Messe, das Sakrament der Eucharistie. Hier begegne ich Jesus Christus hautnah mit Fleisch und Blut – und wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir noch in einer Gegend leben, in der es jeden Tag die Möglichkeit gibt, eine Heilige Messe zu feiern.

Diese Verbindung mit Jesus Christus ist in all meinem Tun möglich, ich muss mir das nur immer wieder bewusst machen. „Mache dir daher immer wieder bewusst“, so rät uns der heilige Franz von Sales, „das du in der Gegenwart Gottes lebst. Es gibt keinen Ort und kein Ding, wo er nicht gegenwärtig wäre.“ Sich immer wieder diese Gegenwart Gottes bewusst machen, ist eine einfache Übung, die mich mit Jesus Christus verbindet: Jesus, du bist da, in meinen Gedanken, in meinem Herzen, und du umgibst mich mit deiner Gegenwart – so können wir uns das vorstellen, wenn wir zum Beispiel das Kreuzzeichen machen. Und das können wir immer wieder tun, egal was wir im Alltag gerade vorhaben. „Jesus, du bist da“ – Das ist ein Gedanke, der vielleicht zwei Sekunden dauert, er stört uns nicht, so meint Franz von Sales, nein, ganz im Gegenteil, dieser Gedanke erfrischt uns, so dass wir das, was wir tun sollen, viel leichter tun.

Alles im Leben mit Jesus Christus in Verbindung bringen … sich in allem mit Jesus Christus verbinden. Er in mir, ich in ihm, das bedeutet, ein Mystiker, eine Mystikerin werden: jemand, der voll und ganz mit Jesus Christus verbunden ist, wie die Rebe und der Weinstock. Der Jesuit und Theologe Karl Rahner hat schon vor fünfzig Jahren gemeint, dass davon die Zukunft der Christenheit abhängt: „Der Christ, die Christin, der Zukunft“, so sagte er, „wird ein Mystiker sein, jemand, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“ Letztlich ist diese Aussage nichts anderes als die Übersetzung des heutigen Jesus-Wortes: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“

Getrennt von Jesus Christus können wir nichts tun. Machen wir uns also wieder bewusst, dass wir in der Gegenwart Gottes leben – in jeder Sekunde – und leben wir danach. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS