Predigt zum 3. Sonntag im Jahreskreis (Lk 1,1-4. 4,14-21)
Das Fehlen des Friedens ist die Quelle allen Unglücks
„Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. … Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“
Das ist die Botschaft der ersten Predigt Jesu, seines ersten öffentlichen Auftritts in seiner Heimat Nazaret. Es ist eine Botschaft der Freude, der Freiheit, der Liebe und des Friedens. Es ist eine Botschaft, die die Kraft und die Präsenz, die Gegenwart des Geistes Gottes mitten in der Welt deutlich macht, spürbar für alle, vor allem für die Armen, Kranken und Leidenden.
Vor 400 Jahren – 1619 – stand Europa am Beginn des 30-jährigen Krieges. Am Ende dieses Krieges, 1648, war rund die Hälfte der europäischen Bevölkerung vernichtet: getötet durch den Krieg, durch Hunger und Armut, durch Seuchen und die Pest. Ausgelöst wurde diese Maschinerie des Todes durch die egoistischen Machtinteressen der einzelnen Nationalstaaten, und die Opfer waren wie immer die Armen und die Machtlosen. Sie wurden zum Spielball der Politik, der nichts mehr heilig war – außer natürlich die eigene Herrschaft und der Anspruch der Macht über die anderen.
Der heilige Franz von Sales versuchte am Beginn dieses verheerenden europaweiten Krieges wenigstens in seinem kleinen Einflussbereich den Frieden zu sichern – zwischen dem König von Frankreich und dem Herzog von Savoyen. Deshalb reiste er 1619 nach Paris, um die Hochzeit zwischen der Schwester des Königs von Frankreich und dem Sohn des Herzogs von Savoyen zu arrangieren. Er dachte, es diene dem Frieden, wenn beide Herrscherhäuser miteinander verwandt seien. In Paris vermittelte er auch zwischen dem französischen König Ludwig XIII. und dessen Mutter Maria de Medici. Der Friede beginnt ja bekanntlich im eigenen Haus, in der eigenen Familie, und Ludwig war damals mit seiner Mutter so sehr zerstritten, dass er diese kurzerhand in die Verbannung schickte. Franz von Sales brachte nicht nur die Hochzeit zustande, sondern schaffte es auch, den König mit seiner Mutter wieder zu versöhnen. Auf weltpolitischer Ebene aber blieb er erfolglos. Dem schon damals einflussreichen Kardinal Richelieu empfahl er, sich aus der Politik herauszuhalten und sich mehr um die Seelsorge zu kümmern. Hätte Richelieu auf diesen Rat des Franz von Sales gehört, wäre Europa eine Menge Elend und Leid erspart geblieben.
1620, kurz vor seiner Abreise aus Paris, hielt Franz von Sales noch einmal eine eindringliche Predigt, in der er auf die so wichtige Bedeutung des Friedens hinwies. Dabei sagte er Folgendes:
Das Fehlen des Friedens „ist die Quelle allen Unglücks, aller Bedrängnis und Not, die man in dieser Welt unter den Menschen sieht. … Woher kommt [denn] so viel Armut, … wenn nicht von der elenden Anmaßung der anderen, ihren Besitz zu vermehren und reich zu sein, auch wenn es auf Kosten des Nächsten geschieht? Die einen haben zu viel und die anderen haben nichts. … Wenn der Friede unter den Menschen herrschte, würde man solches Elend nicht sehen. … Mit einem Wort, nichts führt Krieg gegen den Menschen als der Mensch selbst. … Unser Herr [Jesus Christus] wusste sehr gut, wie überaus notwendig die Menschen den Frieden haben. Deshalb hat er über nichts so viel gepredigt wie über diesen Frieden, der aus der gegenseitigen Liebe hervorgeht, die er uns so sehr empfohlen hat“ (DASal 9,334-335).
Leider hat man auf diese Worte des heiligen Franz von Sales genauso wenig gehört, wie auf die erste Predigt Jesu in Nazaret. Jesus wollte man danach sogar steinigen. Dem heiligen Franz von Sales wurde nach seiner Predigt höflich applaudiert, weil er immer so herzliche, freundliche, gütige, liebevolle Worte fand, sein Verhalten geändert, hat man aber nicht.
Wir feiern das Fest des heiligen Franz von Sales. Vielleicht nehmen wir dieses Fest heute zum Anlass, darüber nachzudenken wie wir in unserer kleinen Welt einen Beitrag zum Frieden leisten können. Denn nichts führt Krieg gegen den Menschen, nur der Mensch selbst – und daher kann auch nur der Mensch selbst den Frieden herstellen, in dem er sein Verhalten ändert, in dem er seine eigenen Machtinteressen zum Wohle der anderen aufgibt. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS