Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis (Mt 21,33-44)

Vertrauen

Der heilige Franz von Sales sagte einmal: „Das Vertrauen ist das Leben der Seele, nimmst du ihr das Vertrauen, so jagst du sie in den Tod.“ (DASal 2,42) In dieser Aussage wird sehr deutlich, dass Vertrauen eine lebenswichtige Tugend ist.

Das Gleichnis, das uns Jesus heute erzählt, kann man in seiner ganzen Fülle eigentlich nur verstehen, wenn man es mit dieser Tugend des Vertrauens betrachtet.

Der Weinbergsbesitzer vertraut seinen Besitz seinen Winzern an. Er kennt sie, er weiß, dass sie gut arbeiten, und er ist davon überzeugt, dass sein Weinberg bei ihnen gut aufgehoben ist. Mit einem aber hat er nicht gerechnet: dass diese Winzer sein Vertrauen missbrauchen, und zwar grenzenlos. Zunächst verprügeln sie seine Knechte … und dann gehen sie sogar soweit, seinen eigenen Sohn zu ermorden. Ihr Motiv: Geld- und Machtgier. Wenn der Erbe getötet ist, dann gehört uns der Weinberg und wir brauchen vom Erlös nichts mehr hergeben.

Jesus erzählt diese Geschichte, um den Menschen auf eindringliche und ja, auch auf brutale Weise vor Augen zu führen, wie sie immer wieder mit Gott umgehen. Gott vertraut den Menschen. Er übergibt ihnen diese Welt, das Leben … Im Schöpfungsbericht heißt es: „Gott segnete [die Menschen] und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“ (Gen 1,28) … und sein Vertrauen wird missbraucht. Die Menschen hören nicht auf seine Stimme, missachten seine Gebote, zerstören seine Schöpfung, wollen nur ihren eigenen Vorteil, treten das Heilige mit Füßen. Und das geht sogar so weit, dass sie nicht einmal vor seinem eigenen Sohn Halt machen.

Der Sohn Gottes selbst wird ausgeliefert, damit er am Kreuz stirbt. Jesus kündigt mit dieser Geschichte also sein eigenes Schicksal an … und er erklärt damit seinen Tod als Missbrauch jenes Vertrauens, das Gott den Menschen geschenkt hat.

Das wirklich überraschende an diesem Gleichnis ist aber der Schluss. Dort macht Jesus nämlich deutlich, dass Gott trotz all dieser menschlichen Missbrauchsgeschichte den Menschen treu bleibt. Trotz aller Vertrauensbrüche, die ihm angetan wurden, hört Gott nicht auf, auf der Seite der Menschen zu stehen. „Der Stein“, so heißt es am Schluss, „den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden.“

Das heißt: Der Mensch kann noch so grausam mit seinem Gott umgehen, ihn mit Füßen treten, töten und kreuzigen … Gott wird ihn nicht verlassen, ihm sein Vertrauen nicht entziehen.

„Gott wird niemals jene verlassen, die ihn nicht verlassen wollen.“ (DASal 6,209) Davon war der heilige Franz von Sales überzeugt. „Niemals verlässt uns unser guter Gott,“ schreibt er an Johanna Franziska von Chantal, „es sei denn, um uns umso fester zu halten“ (DASal 5,96).

In diesen Aussagen wiederholt Franz von Sales eigentlich nur das, was uns auch Jesus deutlich machen will. Jesus zeichnet uns ein Gottesbild, das man nur noch staunend anbeten kann, vor allem wenn man bedenkt, wie schmerzvoll es uns selbst ergeht, wenn wir einmal erleben, wie unser Vertrauen, das wir jemandem geschenkt haben, missbraucht wurde. Solche Wunden gehen ganz tief … trotzdem sagt Gott auch weiterhin Ja zu uns Menschen.

Im Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry steht der berühmte Satz: „Du bist stets für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ Das sollten wir uns als tiefe Wahrheit merken. Egal ob es Gott ist, oder die Menschen um uns herum: Wenn das Vertrauen in einer Beziehung eine Rolle zu spielen beginnt, dann wächst die Verantwortung, weil die Gefahr des Wehtuns, des Schmerzenzufügens immer größer wird.

Gott hat uns sein ganzes Vertrauen geschenkt … darüber nachzudenken, was das bedeutet, dazu lädt uns der heutige Sonntag ein. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS