Predigt zum 23. Sonntag im Jahreskreis (Mt 18,15-20)

Konfliktkultur

Heute geht es im Evangelium einmal nicht so sehr um theologische Glaubensfragen, sondern um das ganz konkrete Miteinander. Schön wäre es ja, wenn wir auf die Pfarrgemeinde oder die Gesellschaft blicken und ähnlich wie in der Apostelgeschichte sagen könnten: Alle sind „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32). Aber so ist es leider nicht. Es gibt Konflikte und Streit, Fehler werden gemacht – und das immer wieder, weil niemand von uns vollkommen ist.

Wie gehen wir damit um? Jesus beschreibt uns dazu seine Methode einer richtigen Streit- und Konfliktkultur. Und diese beginnt als Erstes mit dem Vier-Augen-Gespräch. Es geht also darum, dass ich als ersten Schritt eben nicht überall herumerzähle, was der oder die andere schon wieder alles falsch gemacht hat, damit es ja alle sofort wissen. Das Erste ist immer das persönliche, das vertrauliche Gespräch.

Der nächste Schritt wäre dann das Gespräch mit zwei weiteren Zeuginnen und Zeugen. Und erst, wenn auch dieses Gespräch keine Lösung ergibt und der andere seinen Fehler nicht einsieht, erst dann kommt die Öffentlichkeit ins Spiel.

Bei all diesen drei Methoden gilt, was uns der heilige Franz von Sales rät: „Man muss wohl über das Schlechte empört und fest entschlossen sein, sich niemals darauf einzulassen; dennoch muss man dem Nächsten gegenüber ganz mild bleiben.“ (DASal 5,391) Also, den Fehler, den Konflikt ansprechen, aber immer mit der Achtung der Person des Anderen.

Schon zur Zeit Jesu war es üblich, dass man die Sünder sehr gerne öffentlich an den Pranger stellte. Natürlich galt auch damals schon die Unschuldsvermutung, aber noch viel mehr zählte es, dem Sünder deutlich zu machen, dass ich besser bin als er. Und das geht am besten, indem ich überall herumerzähle, was der andere angestellt hat – ob es nun der Wahrheit entspricht oder nicht, das können ja dann die Gerichte klären. Das aber ist nicht die Methode, die Jesus vorschlägt. Er weiß eben genau, dass dadurch nur ein Teufelskreis weiterer Konflikte und Streitigkeiten ausgelöst wird, bis dann überhaupt keine Versöhnung mehr möglich ist.

Der heilige Franz von Sales war von Beruf eigentlich kein Theologe sondern Jurist. Und er suchte bei allen Streitigkeiten immer zuerst das Vieraugengespräch, in der Hoffnung, dass sich in diesem Gespräch die Konflikte lösen. Viele Menschen kamen genau deshalb zu ihm und baten um Hilfe, weil sie wussten, dass sie damit einen öffentlichen Prozess verhindern können, bei dem ohnehin nur Schmutzwäsche gewaschen wird und jeder nur als Verlierer aus dem Gerichtsaal hinausgeht.

Diese jesuanische Streit- und Konfliktkultur hat natürlich auch etwas mit dem Glauben zu tun. Als Christin oder Christ glaube ich daran, dass jeder Mensch, selbst der größte Sünder, die größte Sünderin, ein Geschöpf Gottes ist und damit eine einzigartige Würde besitzt, die ihr oder ihm trotz aller Fehler nicht genommen werden kann.

Das sollte mir eigentlich im Umgang mit den Mitmenschen immer bewusst sein, egal ob ich den anderen nun sympathisch finde oder nicht, egal ob ich das Verhalten des anderen richtig finde oder nicht.

Am Ende des heutigen Evangeliums steht der schöne Satz: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Das wäre dann ein weiteres Argument einer guten Konfliktkultur: Bei jeder Begegnung im christlichen Sinne ist Jesus mitten unter uns anwesend. So wie wir miteinander umgehen, so wie wir Konflikte und Streitigkeiten lösen, so geben wir auch ein Beispiel und ein Zeugnis davon, wir sehr Jesus Christus unter uns gegenwärtig ist, wie sehr er unser Leben beeinflusst und begleitet. Nächstenliebe und Gottesliebe, so könnte man all das kurz zusammenfassen, Nächstenliebe und Gottesliebe sind für uns immer eins … sie können nicht getrennt werden, auch nicht, wenn ich einem Sünder begegne. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS