Predigt zum 12. Sonntag im Jahreskreis (Mk 4,35-41)

Wir werden nicht untergehen

Es gibt eine Erzählung aus dem Leben des heiligen Franz von Sales, die sehr gut zum Seesturm passt, von dem wir gerade gehört haben.

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums wollte Franz von Sales mit seinem Bruder und einem weiteren Studenten auf dem Seeweg nach Rom reisen, da der Landweg wegen der vielen Straßenräuber zu gefährlich schien. So bestiegen sie ein Schiff. Dort setzten sich die drei in eine Ecke und begannen gemeinsam zu beten. Kurze Zeit später kam ein Unwetter auf und das Boot wurde gefährlich zwischen den immer höheren Wellen hin und hergeworfen. Ein Matrose, der Franz von Sales inmitten dieses Chaos beten sah, wurde wütend und schrie ganz laut, dass der Aberglaube dieser Leute die Ursache dafür sei, dass sie jetzt alle untergehen müssen. Franz von Sales blieb in dieser Situation völlig ruhig und meinte nur: Wenn wir jetzt tatsächlich alle untergehen, dann ist es umso wichtiger, dass wir weiterbeten. Kurz darauf verzog sich das Gewitter wieder und das Schiff erreichte sicher den nächsten Hafen.

Im Evangelium vom Sturm auf dem See geht es um das Vertrauen in die Wirkmacht Gottes in unserem Leben und in unserer Welt, trotz der vielen Stürme und Gewitter, die uns dabei begegnen. Der Evangelist Markus verschärft die Dramatik auf dem Boot mit dem Hinweis: „Jesus aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief“, während seine Jünger verzweifelt versuchten, das Wasser aus dem Boot zu bekommen. Die Kritik der Jünger ist nur allzu verständlich: „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“

Solche Situationen kennen wir zur Genüge und solche Situationen gab es schon immer, wie uns der Beter von Psalm 44 beweist, wo es heißt: Gott „wach auf! Warum schläfst du? … Warum verbirgst du dein Angesicht, vergisst unser Elend und unsre Bedrückung? Unsere Seele ist in den Staub gebeugt, unser Leib klebt am Boden. Steh auf, uns zur Hilfe!“

Warum schläfst du, Herr, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?

Im Blick auf viele Ereignisse in unserer Welt und in unserem Leben, können wir diesen Vorwurf gegenüber Gott sehr gut verstehen. Warum tut Gott nichts, warum schreitet er nicht ein? Warum kommt er uns nicht zu Hilfe.

Der Evangelist Markus beschreibt nun die Reaktion Jesu in dieser Situation inmitten des wütenden, lebensgefährlichen Sturms so, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres und Einfacheres: Jesus steht auf, droht dem Wind und sagt: Schweig, sei still! Und schon tritt völlige Stille ein. Und dann der Satz Jesu: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“

Extremer und deutlicher kann man eigentlich das Gottvertrauen gar nicht mehr beschreiben. Und vielleicht hat der heilige Franz von Sales bei seinem Seesturm, den er erlebte, genau daran gedacht. Wenn wir tatsächlich untergehen, dann ist es umso wichtiger, sich voll und ganz auf Gott zu konzentrieren. Es gibt sehr viele Aussagen des heiligen Franz von Sales, die auf das Vertrauen in Gott hinweisen. Nur zwei Beispiel. Einmal sagt er: „Es hat noch keiner sein Vertrauen auf Gott gesetzt, ohne dafür reiche Frucht zu empfangen.“ (DASal 2,104) Und ein anderes Mal: „Haben Sie unbegrenztes Vertrauen, dass Gottes Barmherzigkeit und Güte Sie nie verlassen wird.“ (DASal 5,45). Franz von Sales war wirklich bis zu seinem Tod felsenfest davon überzeugt, dass der Mensch nicht untergehen wird, der auf Gott vertraut. Diese Überzeugung hat er sich sogar auf sein Bischofswappen schreiben lassen: „Non excidet“ – „Er wird nicht untergehen.“

Mir ist natürlich klar, dass dieses Gottvertrauen nicht einfach zu leben ist, gerade dann, wenn man den Eindruck hat, dass Gott schläft.

Wichtig und notwendig ist daher, dass ich mich nicht nur dann an Gott wende, wenn es mir schlecht geht oder gefährlich wird, sondern regelmäßig und jeden Tag neu. Nur so kann Gottvertrauen wachsen und mir bewusstwerden, dass Gott die Lage, egal wie stürmisch und aussichtslos sie auch sein mag, im Griff hat.

Das heutige Evangelium vom Sturm auf dem See lädt uns also nicht nur dazu ein, dass ich dem Wirken Gottes in meinem Leben und in unserer Welt vertraue, sondern dass ich ebenso bereit bin, Gott jeden Tag von Neuem in mein Boot zu holen und mit ihm unterwegs zu sein in guten wie in bösen Tagen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS