Predigt zum 11. Sonntag im Jahreskreis (Mk 4,26-34)
Gelassenheit, Geduld und Gleichmut
Gelassenheit, Geduld und Gleichmut. Diese drei Tugenden empfiehlt uns der heilige Franz von Sales ganz besonders. Er nennt sie „kleine Tugenden“, nicht weil sie bedeutungslos wären, sondern weil man diese Tugenden gerade in den kleinen Dingen des alltäglichen Lebens ständig brauchen kann.
Vielleicht hat Franz von Sales das von den beiden Gleichnissen gelernt, die Jesus im heutigen Evangelium über das Reich Gottes erzählt.
Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat lehrt uns jedenfalls die Gelassenheit. Der Mann, der den Acker sät, bleibt nach getaner Arbeit völlig gelassen. Er schläft und steht auf – und die Saat keimt und wächst, zuerst der Halm, dann die Ähre und schließlich das volle Korn. Ja und dann ist die Zeit der Ernte gekommen. Völlig gelassen sieht der Sämann seinem Werk beim Wachsen zu. Wichtig dabei ist, dass er selbst alles getan hat, was getan werden kann und muss. Gelassenheit bedeutet also nicht Untätigkeit oder Gleichgültigkeit, ganz im Gegenteil, sie bedeutet, alles zu tun, was man tun kann und muss und dann kann ich auch in aller Ruhe und Gelassenheit die Entwicklung bis zur Ernte abwarten.
Das Gleichnis vom Senfkorn lehrt uns dann die Geduld. Das Senfkorn ist das kleinste der Samenkörner. Schließlich aber geht es auf, wird größer als alle Gewächse und hat sogar Platz für die Vögel des Himmels. Die Geduld sagt uns, dass etwas durchaus Unscheinbares große Wirkung haben kann. Das geht aber eben nicht immer sofort, sondern braucht seine Zeit, Zeit zum Wachsen, Zeit zum Entfalten. Nicht sofort und über Nacht, so lehrt uns die Geduld, sondern Schritt für Schritt gelangen wir ans Ziel. Selbst die kleinsten Schritte können große Wirkung haben.
Durch beide Gleichnisse, die wir heute gehört haben, lernen wir außerdem die Tugend des Gleichmutes. Beide Gleichnisse machen uns nämlich deutlich, dass hinter all dem Säen und Wachsen, dem Pflanzen und Gedeihen Gott steht, der die gesamte Entwicklung im Blick hat und darüber wacht. Genau das besagt auch die Tugend des Gleichmuts. Bei dieser Tugend geht es um den Mut zu akzeptieren, dass hinter allem, was in dieser Welt geschieht, Gott da ist und darauf achtet, dass schließlich und endlich alles zu einem guten Ende kommt – eine reiche Ernte, ein großer Baum, auch wenn es über weite Strecken überhaupt nicht danach aussieht und ich den Eindruck habe, Gott habe die Welt im Stich gelassen, er kümmert sich um nichts, sieht einfach nur zu oder wirkt völlig unbegreiflich. Der Gleichmut sagt mir: Hab trotzdem Vertrauen, Gott weiß, was er tut, er hat den Überblick und lässt uns deshalb nicht im Stich.
Jesus erzählt diese Gleichnisse von der selbstwachsenden Saat und dem kleinen Senfkorn, um den Menschen das Reich Gottes zu erklären, das mit ihm angebrochen ist. Sein Evangelium, seine frohe Botschaft, wird sich Schritt für Schritt über die ganze Welt ausbreiten, auch wenn es jetzt nur ein ganz kleines unscheinbares Senfkorn ist. Jesus macht den Menschen damit Mut, ihm zu vertrauen. Die Saat ist gelegt, sie wird wachsen und reifen.
Und diesen Mut spricht uns Jesus immer noch zu. Seine frohe Botschaft lässt sich nicht aufhalten, trotz vieler Krisen, trotz Rückschlägen, trotz so mancher Entwicklungen, die eher darauf hinweisen, dass sich unsere Kirche auf dem absteigenden Ast befindet. Nur Mut, möchte uns Jesus auch heute sagen. Habt Vertrauen, meine Botschaft lässt sich nicht aufhalten. Oder wie der heilige Franz von Sales sagt: „Das Vertrauen auf Gott erreicht alles.“ (DASal 7,63) Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS