Predigt zum 8. Sonntag im Jahreskreis (Lk 6,39-45)
Zum Schmunzeln und Nachdenken
Zunächst einmal eine kleine bibelwissenschaftliche Erklärung: das Erste, was man nach dem Tod und der Auferstehung Jesu tat, war das Sammeln von Sprüchen, Bildern und Gleichnissen Jesu, die man sich gut merken konnte und immer wieder erzählte. Eine solche Sammlung haben wir gerade gehört – und ich finde, sie passt wunderbar zum heutigen Sonntag, an dem wir den Ausklang des Faschings feiern und uns schon ein wenig auf die kommende Fastenzeit vorbereiten. Diese Sprüche zeigen nämlich zum einen auch ein wenig den tiefgründigen Humor Jesu, seine Bilder und Gleichnisse laden aber nicht nur zum Schmunzeln ein, sondern auch zum Nachdenken:
Da sind zunächst die zwei Blinden, die einander führen und in die Grube fallen. Damals gab es für Blinde überhaupt keine technischen Hilfsmittel, sie waren also vollkommen von der Begleitung der anderen abhängig, und da war es nur logisch, dass zwei Blinde einander keine Hilfe sein können. Die Frage an uns heute wäre: Woran orientiere ich mich bei den Entscheidungen meines Lebens? In Zeiten, in denen wir von Falschmeldungen überschwemmt werden, ist das eine nicht unwesentliche Frage. Wer ist mein Meister bei Lebensfragen? Wessen Schüler bin ich? Lasse ich mich von den Grundsätzen des Evangeliums leiten – oder nicht? Ein Spruch des heiligen Franz von Sales lautet: „Gott hält in den Labyrinthen unseres Lebens das Führungsseil“ (DASal 7,133) – Gilt das auch für mich?
Das „Brett vorm Kopf“ ist ein weiteres Bild, das Jesus uns vor Augen hält. Die Fehler der Anderen sind immer größer als meine eigenen. Beim Anderen genügt ein winziger Splitter und schon gehe ich in die Luft, meine eigenen Fehler aber müssen alle geduldig ertragen, denn erstens sind sie ja gar nicht so schlimm, und zweitens bin ich eben so, wie ich bin. „Und ihr könnt beobachten,“ meint Franz von Sales, „dass diejenigen, die an den geringsten Fehlern des Nächsten etwas auszusetzen finden, gewöhnlich selbst recht große unterhalten“ (DASal 12,184-185). Ist das so? Habe ich dieses „Brett vorm Kopf“?
Beantworten kann ich das eventuell durch das nächste Bild. Jeden Baum erkennt man durch seine Früchte. Eine Distel trägt keine Feigen, der Dornenstrauch keine Trauben. An den Früchten erkennt man die Art und Qualität eines Baumes. Reden, Diskutieren, Kritisieren kann man viel, entscheidend sind die Früchte, die dabei herauskommen. „Die Vollkommenheit besteht nicht im Reden“, meint Franz von Sales, „sondern im Handeln“ (DASal 12,361). An den Früchten wird man uns also erkennen. Welche Früchte erkennt man an mir?
Und schließlich das letzte Jesus-Bild: Auf das Herz kommt es an. Also nicht das Äußere ist entscheidend, sondern meine innere Haltung und Einstellung. Das, was in meinem Inneren ist, in meinem Herzen, das ist das Wesentliche. „Wovon das Herz überfließt, davon spricht der Mund.“ Deshalb möchte Franz von Sales, dass das Wort „Es lebe Jesus“ fest in meinem Herzen geschrieben steht. Denn: „Wie Jesus in deinem Herzen lebt, so wird er auch in deinen Handlungen lebendig sein“ (DASal 1,164). Ist Jesus in meinen Handlungen lebendig?
Denken wir darüber nach: Woran orientiere ich mich in meinem Leben? Sehe ich nicht nur die Fehler der anderen, sondern auch meine eigenen? Welche Früchte bringen meine Taten hervor? Und schließlich: Wie sieht es in meinem Herzen tatsächlich aus? All das sind wahrlich gute Fragen zur Einstimmung auf den kommenden Aschermittwoch und die österliche Bußzeit. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS