Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis (Mt 25,14-30)

Jedes Talent zählt

dieses Gleichnis von den Talenten macht uns deutlich, dass wir Christen daran glauben, dass jeder Mensch von Gott beschenkt ist. Ein jeder Mensch besitzt wenigstens ein Talent, mit dem er dazu beitragen kann, dass in dieser Welt das „Himmelreich“, das „Reich Gottes“, die Frohe Botschaft wächst, die Jesus Christus unserer Welt gebracht hat. Damit macht Jesus Christus deutlich, dass jeder Mensch für das Reich Gottes wertvoll und wichtig ist, nicht weil der Mensch aus sich heraus so gut wäre, sondern weil er von Gott beschenkt wurde.

Geschenk hat in der Fachsprache der Bibel oder der christlichen Theologie einen besonderen Namen, der leider in unserem alltäglichen Sprachgebrauch ein wenig verstaubt und in Vergessenheit geraten ist. Ein Geschenk, das von Gott kommt, bezeichnen wir als Gnade. Wir sprechen zum Beispiel von der Taufgnade oder Gnadengaben des Heiligen Geistes … Die Gottesmutter Maria wird mit diesem Wort begrüßt: „Du bist voll der Gnade“ – „Du bist von Gott reich beschenkt“.

Vor allem das Sakrament der Taufe und der Firmung machen uns das zeichenhaft bewusst, dass Gott einen jeden von uns begnadet hat … also beschenkt. Nicht jeder hat die gleichen Gaben oder Talente erhalten, jede und jeder ist unterschiedlich talentiert, beschenkt, befähigt – und damit hat auch jede und jeder von uns ganz unterschiedliche Aufgaben, aber allen ist das gleiche Ziel gemeinsam: die Mitarbeit am Reich Gottes mit genau den Fähigkeiten und Talenten, die Gott mir geschenkt hat. Es kommt also nicht darauf an, dass ich Großartiges oder Einzigartiges leiste, es kommt darauf an, dass ich das, was ich kann, das was ich bin, das, was meine Fähigkeiten sind, ganz in den Dienst Gottes stelle.

Der heilige Franz von Sales hat das einmal sehr schön zum Ausdruck gebracht, als er sagte: „Gott sagt nicht: Gib mir ein Herz wie das der Engel oder Unserer Lieben Frau …“, nein er sagt: „Schenk mir dein Herz? Es ist dein eigenes Herz, das er verlangt; schenk es ihm so, wie es ist“ (DASal 9,297).

Die Herausforderung an mich, der ich Christus nachfolgen will, besteht also in zwei ganz konkreten Fragen:

  1. Welches Talent hat Gott mir geschenkt?

Und 2. Wie stelle ich dieses Talent ganz in den Dienst Gottes?

Der Heilige Franz von Sales hat das in seinem berühmten Buch Philothea so formuliert:

„Die Frömmigkeit muss anders geübt werden vom Edelmann, anders vom Handwerker, Knecht oder Fürsten, anders von der Witwe, dem Mädchen, der Verheirateten. Mehr noch: die Übung der Frömmigkeit muss auch noch der Kraft, der Beschäftigung und den Pflichten eines jeden angepasst sein“ (Philothea I,3; DASal 1,37).

Eine jede, ein jeder soll also seinen Glauben leben, gemäß den Talenten, die Gott ihm geschenkt hat.

Und weiters erinnert Franz von Sales daran, dass ich mein Talent am besten dann in den Dienst Gottes stelle, wenn ich es mit Liebe tue. Der Apostel Paulus sagt: Ohne Liebe wäre alles nichts, Franz von Sales meint: „Die Liebe zu verlieren ist der einzige Verlust, den wir in unserem Leben fürchten müssen“ (DASal 6,154). Denn ohne Liebe wäre selbst die größte Heldentat wertlos. Sie macht vielleicht Schlagzeilen und ist für kurze Zeit in aller Munde, aber sie hat keine nachhaltige Wirkung. Sie verglüht genauso schnell wie ein Komet am Nachthimmel. Eine winzige Tat in Liebe getan, leuchtet vielleicht nur wie ein kleiner Funke, aber sie leuchtet ewig.

Der heilige Franz von Sales hatte es im Laufe seines Lebens mit allen Größen der Kirche, der Politik, der Kunst und Kultur zu tun. Am meisten beeindruckt war Franz von Sales aber von jenen Menschen, die in aller Einfachheit, meist abseits von der Öffentlichkeit, ganz im Verborgenen und ohne großes Aufsehen, ihre Talente, ihre von Gott geschenkten Gnadengaben ganz in den Dienst Gottes stellten.

Eine jede, ein jeder von uns wurde von Gott beschenkt – die einen mehr, die anderen weniger. Aber nicht die Quantität ist entscheidend, sondern die Qualität, also die Art und Weise, wie ich mein Talent ganz Gott zur Verfügung stelle. Und am besten geschieht das eben mit Liebe.

„Nun denn“, so sagte Franz von Sales einmal in einer Predigt, „vermehren wir also unseren Glauben, beseelen wir ihn durch die Liebe und die Übung der guten Werke, die in Liebe getan werden.“ (DASal 9,444). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS