Predigt zum 2. Fastensonntag (Lk 9,28b-36)

Gottes Gegenwart endecken

Die Kernaussage der Erzählung von der Verklärung Jesu ist der Satz „Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“.

Doppelt, ja dreifach unterstrichen wird die Bedeutung dieser Aussage durch die Stimme aus der Wolke. Die Wolke ist ja in der Bibel das Symbol der Gegenwart Gottes schlechthin. Die Stimme aus der Wolke bedeutet also: Hier spricht Gott persönlich, so wie er mit Mose am Berg Sinai sprach, so wie mit dem Propheten Elija auf dem Berg Horeb. Was ihr hier erlebt, hat die gleiche Bedeutung. Gott persönlich spricht. Was er sagt, hat den gleichen Stellenwert wie die zehn Gebote, wie der Auftrag an seine Propheten.

Wie können wir dieses Gebot „Auf Jesus hören“ in unserem Leben umsetzen? Der heilige Franz von Sales hat darauf eine klare Antwort: Versetze dich in all deinem Tun in die Gegenwart Gottes. Mach dir so oft wie möglich bewusst, dass es keinen Ort gibt, an dem Gott nicht gegenwärtig ist. Gott ist da – so lautet sein Name: Jahwe – „Ich bin da“.

Natürlich geht es uns dabei manchmal wie den drei Aposteln Petrus, Johannes und Jakobus, die Jesus auf den Berg mitgenommen hat. Da passieren große Dinge, aber wir schlafen ein. Dann kommen wir auf verrückte Gedanken und wollen drei Hütten bauen. Wir erleben die Herrlichkeit und den Schatten, wir fürchten uns, wir plappern dahin, wir verfallen in Schweigen. All das kann in unserem Alltag passieren. Gottes Gegenwart und seine Stimme wird von allem möglichen überlagert und wir vergessen einfach, dass er da ist und zu uns spricht.

Wie spricht Gott zu uns? Natürlich durch die Bibel, das Wort Gottes, das wir daher immer wieder lesen sollten. Aber Gott spricht zu mir auch durch die Kleinigkeiten des Alltags. In der Früh weckt er mich auf und sagt: Fang an, lebe und vergiss dabei nicht auf mich. Am Abend sagt er: Geh ins Bett, schlaf gut, damit du morgen gestärkt weiterleben kannst. Und dazwischen spricht Gott zu mir in den Begegnungen und Ereignissen des Tages, in meinen Aufgaben, im Essen, in der Erholung. Die heilige Kirchenlehrerin Teresa von Avila bringt das einmal sehr schön auf den Punkt, in dem sie einer Mitschwester sagte: „Gott begegnet dir auch zwischen den Kochtöpfen in der Küche“.

Wichtig ist bei all dem, dass ich eben bereit bin, auf die Stimme Gottes in meinem Leben zu hören, also achtsam zu sein, dass Gott mir mit all dem etwas sagen will. Um diese Sensibilität zu üben, braucht es natürlich Zeiten der Stille, des Schweigens, Zeiten des Gebetes, in denen ich weniger Gott alles Mögliche erzähle, sondern in dem ich ohne Worte einfach die Gegenwart Gottes auf mich wirken lasse und auf ihn höre. Was mir dann durch den Kopf geht, darauf möchte mich Gott jetzt, hier und heute, aufmerksam machen. Das kann auch passieren, wenn ich beim Beten einschlafe. Franz von Sales nennt das den „geistlichen Schlaf“. Wir bleiben in seiner Gegenwart, meint er, „auch dann, wenn wir schlafen, weil wir ja alles in seinem Namen tun“ (DASal 2,132). Beim Aufwachen kann es mir dann so ergehen, wie den Aposteln: Ich sehe plötzlich alles etwas klarer, hab eine Idee, die mir weiterhilft.

Wir Christinnen und Christen sind Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung. Das bedeutet, wir wissen uns in unserem Leben von der Gegenwart Gottes begleitet und getragen. Das Hören auf die Stimme Gottes ist dabei äußerst hilfreich, vor allem dann, wenn ich meine, dass Gott weit weg ist und sich nicht um mich kümmert.

Fastenzeit ist auch eine Zeit, in der ich den Auftrag Gottes: „Auf ihn sollt ihr hören“ wieder bewusster einüben und Gottes Stimme in meinem alltäglichen Leben wahrnehmen kann, um zu erkennen, dass ich von ihm begleitet und getragen bin. Ein salesianischer Gedanke zum Schluss: „Der bewusste Wandel in der Gegenwart Gottes ist das Mittel, alles recht zu machen“ (DASal 2,132). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS