Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis (Mk 5,21-24.35b-43)

Dem Tod begegnen

Der Tod ist leider eine Realität. Das merken wir nicht nur am Ende unseres Lebens, sondern jeden Tag, und das seit unserer Geburt. Die Tage, die wir bereits gelebt haben, kommen nicht mehr zurück. Und jeden Tag sterben Menschen – zuhause, in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, bei Unfällen und Naturkatastrophen, im Krieg und durch Terror – und gestorben wird in jedem Alter, plötzlich und unerwartet, oder nach langem Leiden, unter Schmerzen oder friedlich.

Der Tod ist deshalb die große Herausforderung des Menschen, weil er trotz medizinischer Leistungen nicht verhinderbar ist und es alle betrifft, nicht nur die anderen, sondern auch mich persönlich. Daher empfehlen uns eigentlich alle spirituellen, geistlichen Lehrerinnen und Lehrer aller Zeiten, dass wir uns mit der Endlichkeit unseres Lebens beschäftigen sollen, mit der Ars moriendi – der Kunst des Sterbenlernens als Kunst, wesentlich zu leben.

Das tut natürlich auch der heilige Kirchenlehrer Franz von Sales, wenn er uns in seinem berühmten Buch „Philothea – Anleitung zum frommen Leben“ zur Aufgabe gibt, über den Tod nachzudenken – und zwar so konkret wie möglich. „Stell dir vor“, so meint er, „du liegst todkrank auf dem Sterbebett, ohne Hoffnung, dem Tod zu entrinnen … Erwäge, wie unbestimmt der Tag deines Todes ist: …“ Wann es so weit ist, wissen wir nicht. „Nur das eine ist sicher, dass wir sterben werden – wahrscheinlich früher, als wir denken“ (DASal 1,51).

Aus diesem Grund leben viele Menschen nach dem Motto „Carpe diem“ – „Nutze den Tag“. Für Franz von Sales kommt bei diesem Motto allerdings noch etwas Wesentliches hinzu, nämlich Gott: Nutze den Tag und lebe in der Gegenwart Gottes. Genau das ist der Unterschied zwischen unserem christlichen Glauben und anderen Denkweisen, die sich mit Sterben und Tod auseinandersetzen. Denn wir Christinnen und Christen begegnen dem Tod immer mit einer Hoffnung, und diese Hoffnung hat einen Namen, nämlich Jesus Christus.

Das heutige Evangelium macht uns das wieder einmal sehr deutlich. Wie reagiert Jesus auf die Todesnachricht der Tochter des Jarus? Er sagt: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“ – „Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.“ So geht Jesus mit dem Tod um, obwohl er dafür von allen ausgelacht wird. Er lässt sich davon aber nicht von seinem Glauben abbringen, weil er weiß, dass der Tod, der zum Leben einfach dazu gehört, dem niemand entfliehen kann, dass dieser Tod nie das Ende ist, sondern immer die Tür zum ewigen Leben. Wir alle können daher darauf vertrauen, dass Jesus auch zu uns sagt: „Talita kum – Steh auf!“ Und er sagt uns das nicht erst am Ende unseres Lebens am Sterbebett, er sagt es uns jeden Tag, wenn wir erwachen und einen neuen Tag beginnen: „Steh auf! … Fürchte dich nicht, glaube nur.“

„Der kluge Mensch“, so meint Franz von Sales, „richtet jeden Tag so ein, als wäre er der letzte in seinem Leben“ (DASal 12,273). Das ist die Kunst des wesentlichen Lebens – und er richtet sich diesen Tag immer so ein, dass er in der Gegenwart Gottes lebt, der ihm die Angst vor dem Tod nimmt und ihm eine Hoffnung über den Tod hinaus schenkt. Mit dieser Hoffnung können wir dann jeden Tag, den wir lebten, am Abend wieder in die Hände Gottes zurücklegen und dabei beten, wie uns der heilige Franz von Sales empfiehlt: Ich werfe mich in die Arme Gottes und bitte ihn um seinen Schutz und um die Gnade eines seligen Todes durch die Verdienste seines Sohnes Jesus Christus (vgl. DASal 1,52). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS