Predigt zum 1. Adventsonntag (Lk 21,25-28.34-36)

Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung

Ja, da mutet uns Jesus im heutigen Evangelium schon einiges zu. Die Völker werden „bestürzt und ratlos“ sein, die Menschen werden „vor Angst vergehen“. Toben und Donnern wird sein, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert.

Spätestens seit den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie können wir diese Endzeitvisionen Jesu durchaus nachvollziehen. Dazu kommen Kriegsausbrüche, Terroranschläge, Flüchtlingsbewegungen, Wirtschaftskrisen, Umweltzerstörung, Naturkatastrophen, Rassismus und Gewalt, Extremismus und populistischer Umgang mit Wahrheit und Lüge. Und all das am Beginn des Advents, wo wir uns eigentlich nach der heilen Welt der Christkindl-, Advent- und Weihnachtsmärkte sehnen, die wir mittlerweile lieber Winterzauber nennen.

Ja, Jesus mutet uns schon eine ganze Menge zu. Dennoch ist seine Botschaft keine Drohbotschaft, sondern eine frohe Botschaft. So ist es auch mit dem heutigen Evangelium, das ganz bewusst als Einstieg auf die kommenden vier Wochen der Adventzeit gewählt ist. In diesem Jahr ist es auch eine gute Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2025, das von Papst Franziskus am 24. Dezember, also am Heiligen Abend feierlich eröffnet werden wird. Dieses Heilige Jahr wird nämlich das Thema „Hoffnung“ in den Mittelpunkt stellen. Wir Christinnen und Christen sind trotz allem „Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung“. Wir wissen und bezeugen, was Jesus uns heute ebenso verkündet: Gott ist im Kommen, und zwar „mit großer Kraft und Herrlichkeit … richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe“.

Der heilige Franz von Sales, der in einer nicht gerade friedlichen Zeit mit großen kirchlichen und politischen Herausforderungen leben musste, brachte das einmal sehr schön auf den Punkt, als er sagte:

„Ja, Gott verlangt von uns schon ein ganz großes Vertrauen auf sein väterliches Sorgen, auf seine göttliche Fürsorge. Aber warum sollten wir ihm nicht vertrauen, da er noch keinen getäuscht? Es hat noch keiner sein Vertrauen auf Gott gesetzt, ohne reiche Frucht dieses Gottvertrauens zu empfangen“ (DASal 2,87-88).

Wir Christinnen und Christen geben nicht auf, weil wir nämlich eine Hoffnung haben, einen Gott, der uns trägt, dem wir vertrauen können und der jeden Tag von neuem im Kommen ist. Heute ist es finster und kalt, wir erleben die dunkelste Zeit des Jahres, aber was tun wir? Wir zünden eine Kerze an, und in einer Woche eine zweite, dann eine dritte und eine vierte. Und es wird heller und es wird wärmer, je näher wir dem Menschensohn, unserem Herrn Jesus Christus kommen.

Ja, wir sind Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung, adventliche Menschen, die darauf vertrauen, dass wir einen Gott haben, der uns nicht im Stich lässt, selbst wenn alles dunkel und verloren erscheint.

Um diese Hoffnung und dieses Vertrauen in uns wachsen zu lassen, müssen wir allerdings auch etwas tun. Das geht nicht einfach so, das weiß auch Jesus. Und daher sagt er uns auch heute ganz deutlich: „Wacht und betet allezeit.“

Es braucht also Wachsamkeit, damit wir von der dunklen Welt um uns herum nicht überrascht werden wie eine Falle. Und es braucht das Gebet, um das göttliche Licht, dem wir vertrauen, in den Sorgen des Alltags nicht zu übersehen.

Der Advent ist die Zeit, in der wir diese Wachsamkeit und dieses Gebet wieder trainieren können, damit wir zu dem werden, was wir sind, nämlich Pilger der Hoffnung, die davon überzeugt sind, dass unser Gott uns nicht im Stich lässt, sondern im Kommen ist – jeden Tag. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS