Predigt zu Allerseelen (Ijob 19,1.23-27a; 1 Thess 4,13-18; Joh 5,24-29)
Der Genuss des Gartens
„Der Tod ist die größte narzisstische Kränkung des Menschen. Wir leben, entwickeln uns, sammeln Wissen an, und dann soll alles zu Ende sein. Das ist schwer zu akzeptieren.“ So hat es einmal die österreichische Soziologin Brigitte Kepplinger in einem Interview beschrieben. Und das kann ich gut verstehen, und ich erlebe das ja auch sehr oft bei den Beerdigungen.
Wir Menschen sind es mittlerweile gewohnt, dass es für alles irgendwie eine Lösung gibt. Unser Wissen, die Technik, die Medizin, das Geld machen uns glauben, dass man immer etwas tun kann. Im Angesicht des Todes aber, wird uns unsere völlige Hilflosigkeit bewusst. Nichts geht mehr, tot ist eben tot. Der geliebte Mensch ist einfach nicht mehr. Diese Realität ist tatsächlich sehr schwer zu akzeptieren, vor allem dann, wenn es noch so Vieles gegeben hätte, was man noch hätte machen können oder wollen.
Allerseelen erinnert uns jedes Jahr an diese Realität, die jede und jeden ohne Ausnahme betrifft. „Tod und Vergehen waltet in allem“, so heißt es in einem alten Gebet der Kirche, „Tod und Vergehen steht über Menschen, Pflanzen und Tieren, Sternbild und Zeit.“ Allerseelen möchte uns aber auch deutlich machen, dass wir trotz dieser Realität nicht hoffnungslos sind, denn da ist Jesus Christus, der durch seinen Tod den Tod besiegte und auch uns zur Herrlichkeit führen wird.
Deshalb erinnern wir uns ja heute an unsere Verstorbenen, weil wir eben nicht daran glauben, dass mit dem Tod alles aus ist, das ewige bodenlose Nichts, vor dem wir stehen und nichts mehr machen können. Wir glauben vielmehr daran, dass wir im Tod aufgefangen werden von einem Gott, der uns geschaffen hat und der uns liebt.
Relativ oft wird mir bei diesen Erinnerungen über Verstorbene von Angehörigen erzählt, dass sie zum Ausgleich ihrer sonstigen Tätigkeiten gerne am Wochenende oder dann nach der Pensionierung im Garten gearbeitet haben. Und da habe ich tatsächlich beim heiligen Franz von Sales eine sehr schöne Stelle über das Leben und den Tod gefunden, in der auch der Garten vorkommt. Er schreibt:
In diesem Leben „gehen und bewegen [wir] uns, um in einen schönen Garten zu gelangen. Sind wir [im Tod] dort angekommen, so hören wir nicht auf, zu gehen und uns zu bewegen, jetzt aber nicht mehr, um hinzugelangen, sondern um dort spazieren zu gehen und die Zeit dort zuzubringen. Wir sind ausgegangen, um die Annehmlichkeit des Gartens genießen zu können; dort angekommen, gehen wir, um uns an dem Genuss des Gartens zu erfreuen.“ (DASal 3,243)
Mit dieser Hoffnung, dass all unsere Verstorbenen nun den Garten des Ewigen Lebens genießen dürfen, wollen wir uns nun an sie erinnern und für sie eine Kerze an der Osterkerze entzünden, unserem Symbol dafür, dass der Tod eben nicht das Ende ist, sondern der Beginn des ewigen Lebens. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS