Predigt zum 4. Sonntag der Osterzeit (Joh 10,1-10)

Das Vertrauen auf Gott erreicht alles

Heute lässt sich kaum mehr jemand gerne mit Schafen vergleichen … zur Zeit Jesu aber war das noch ganz anders. Für das Hirtenvolk der Hebräer bildete das Schaf die Existenzgrundlage schlechthin. Wer viele  Schafe besaß, gehörte zu den Reichen und Angesehenen. Der Verlust eines Schafes war eine Katastrophe: man verlor damit die Grundlage für Nahrung, Kleidung und sonstige wertvolle Stoffe, die man zum Leben brauchte. Schafe waren daher auch immer wieder das Ziel von Dieben und Räubern. Der Beruf des Hirten war daher mit großer Verantwortung verbunden und hatte hohes Ansehen. Besonders wichtig war dessen vertraute Beziehung mit der Herde. Ein Hirte, der nicht achtsam war, konnte genauso den Tod bedeuten, wie eine Herde, die nicht auf den Hirten hörte.

All diese Hintergründe muss man mitbedenken, um die Bilder zu verstehen, die Jesus Christus im heutigen Evangelium verwendet. Er beschreibt sich als Hirte, der sorgsam auf seine Herde achtet, der ihnen vor allem Schutz bietet vor den Dieben und Räubern und sie auf Weiden führt, wo sie Nahrung finden.

Mit diesem Vergleich wirbt Jesus Christus vor allem um das Vertrauen: die Schafe hören auf seine Stimme, er ruft jedes Schaf einzeln beim Namen. Er nennt sich den Türhüter und die Tür: wer durch diese Tür hindurchgeht, wird gerettet werden. Wer ihm folgt, der wird das Leben haben und es in Fülle habe.

Ein Wort des heiligen Franz von Sales fasst all das, was Jesus Christus uns hier durch das Bild des Hirten und seiner Schafe deutlich machen will, sehr gut zusammen. Er sagt einmal kurz und bündig: „Das Vertrauen auf Gott erreicht alles“ (DASal 7,63). Er schreibt diesen Satz an eine Ordensschwester, die zu den ersten Frauen gehörte, die in seine neu gegründete Ordensgemeinschaft der Heimsuchung Mariens eingetreten sind. In ihrem Leben lief es gerade nicht gut. Sie war krank und hatte Schwierigkeiten mit einigen Leuten um sie herum. Ihr macht Franz von Sales Mut: „Ihre leibliche Krankheit“ so schreibt er ihr, „ist eine zusätzliche Belastung … Hüten Sie sich [aber] … vor Mutlosigkeit! … Das heilige Vertrauen auf Gott mildert alles, erreicht alles und richtet alles auf.“

Das ist nur eines von vielen Beispielen, in denen Franz von Sales den Menschen Mut macht, indem er sie zum Gottvertrauen auffordert, zum Vertrauen in Jesus Christus, dem guten Hirten: Hört auf die Stimme eures Hirten Jesus Christus. Er kennt euch, er weiß, was euch gut tut. Er weiß, wie er euch vor Räubern und Dieben beschützen kann. Er ist kein Fremder, vor dem ihr davonlaufen müsst, nein: er ist die Tür, die euch in Sicherheit bringt, er ist der Türhüter, der Acht gibt und aufpasst, dass euch nichts passiert. Er weiß wie ihr gerettet werdet, er ist gekommen, damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt.

Die Frage des heutigen Sonntages lautet also: Wem vertraue ich? Wie groß ist mein Vertrauen zu Jesus Christus, dass er mich gut durchs Leben bringt, mich beschützt, mich trägt, mir Sicherheit und vor allem das Leben schenkt, das Leben in Fülle? Glaube ich wirklich daran, dass alles gut geht, wenn ich der Stimme des guten Hirten Jesus Christus folge?

Der wohl bekannteste Psalm der Bibel ist der Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser … muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir. Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“ Seit Jahrtausenden beten die Menschen diesen Psalm vor allem dann, wenn es ihnen nicht gut geht … wir könnten ihn uns wieder einmal genauer anschauen und mit seinen Worten unser Vertrauen in den guten Hirten Jesus Christus stärken, der uns kennt und uns das Leben in Fülle verheißt und uns versichert, was auch Franz von Sales sagte: „Das Vertrauen auf Gott erreicht alles“. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS