Predigt zum Gründonnerstag (Joh 13, 1-15)
Zeichen der Hoffnung für …
Der Gründonnerstag macht uns jedes Jahr deutlich, dass unser Glaube nicht Selbstzweck ist, sondern immer auf die anderen ausstrahlt. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben“, so sagt Jesus, „damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“
Selbstverständlich ist das Sakrament der Eucharistie, das Jesus bei seinem letzten Abendmahl einsetzte, der Höhepunkt des christlichen Lebens. Selbstverständlich ist es wichtig, dass wir aus diesem Sakrament des Leibes und Blutes Christi so oft es nur geht Kraft schöpfen. Jesus selbst beauftragt uns dazu: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Gottesbegegnung geschieht nirgends intensiver und intimer als beim Empfang des Leibes Christi. Aber es genügt nicht, sich von Gott und seiner liebenden Gegenwart beschenken zu lassen. Mit diesem Geschenk ist immer auch eine Aufgabe verbunden. Gottesliebe und Nächstenliebe gehören zusammen, sind eins. Genau deshalb hat uns ja Jesus dieses Zeichen der Fußwaschung gegeben, die am Beginn seines letzten Abendmahles steht. Wer von Gott beschenkt wird, schenkt sich weiter an die anderen, vor allem an jene, denen es nicht so gut geht.
Im Heiligen Jahr der Hoffnung hat uns Papst Franziskus dazu einige konkrete Beispiele genannt. Wir, die wir aus der Kraft der Eucharistie leben, sollen Zeichen der Hoffnung sein für die ungerecht Gefangenen, für jene, die unter der Missachtung der Menschenrechte leiden, für all jene, die sich unter Krieg und Terror nach Frieden sehnen, für die Flüchtlinge, die Kranken, die jungen Menschen und die alten und schließlich für die Milliarden von Armen, denen oft das Lebensnotwendige fehlt.
Wer, wenn nicht wir Christinnen und Christen können diese Zeichen der Hoffnung geben, die wir von Jesus Christus ein Beispiel bekommen haben, damit wir genauso handeln.
Man kann uns Christinnen und Christen wahrlich eine Menge vorwerfen. Missbrauch in allen Variationen, Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, Scheiterhaufen, Opium des Volkes, Machtmissbrauch, sexueller, körperlicher, geistiger und geistlicher Missbrauch … und das ist gut so. Diese Vorwürfe warnen uns nämlich eindringlich vor den Irrwegen, denen wir genauso wie alle anderen Menschen ausgesetzt sind. Diese vollkommen berechtigte Kritik ist wie ein Stoppschild, das uns deutlich macht: Halt! Das genau ist der falsche Weg, sofort umkehren! Gott will das nicht.
Trotzdem sind wir Christinnen und Christen diejenigen, die der Welt von Anfang an mitgeteilt haben, dass jeder Mensch ein von Gott geliebtes Wesen ist und daher eine einzigartige Würde besitzt, die ihm nicht genommen werden darf. Gerade die Armen und an den Rand Gedrängten sind die besonderen Schätze Gottes, für die wir Zeichen der Hoffnung sein sollen, so wie Jesus Christus für sie ein Zeichen der Hoffnung war und ist.
„Das ist eigentlich alles,“ meinte der heilige Franz von Sales einmal, „ein sanftmütiges Herz seinem Nächsten gegenüber und ein demütiges Herz Gott gegenüber zu haben“ (DASal 6,43). Und an einer anderen Stelle sagte er: „Die Liebe zu Gott ist von der Liebe zum Nächsten nicht zu trennen; das Beste ist dabei immer, auf die Tugenden des Heilandes zu schauen.“ (DASal 2,316) Und diese Tugenden erleben wir im Zeichen der Fußwaschung auf ganz besondere Weise. Der Herr und Meister setzt ein besonderes Zeichen der Nächstenliebe, der Herr und Meister ist sich nicht zu schade, den niedrigsten Dienst eines Sklave zu tun.
Nehmen wir daher den heutigen Gründonnerstag im Heiligen Jahr 2025 zum Anlass, die urchristliche Aufgabe der Nächstenliebe, von der uns Jesus Christus ein Beispiel gegeben hat, zu erneuern und dafür aus dem Sakrament der Eucharistie Kraft zu schöpfen. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS