Predigt zum 4. Adventsonntag (Mt 1,18-24)
Ein freies Ja zu Gott
„Mit der Geburt Jesu war es so …“ Leider muss ich uns hier gleich alle enttäuschen: So genau weiß nämlich niemand, wie Jesus tatsächlich geboren wurde. Dem Evangelisten Matthäus ging es bei seiner Schilderung auch nicht um einen exakten historischen Bericht. Seine Absicht war es, den Menschen klar zu machen, dass dieser Jesus aus Nazaret, der Sohn des Zimmermanns Josef und Marias, der mit etwa dreißig Jahren in Jerusalem zum Tod verurteilt und gekreuzigt wurde, dass dieser Jesus der von den Propheten Israels jahrhundertelang ersehnte Messias, Christus ist, der Sohn des lebendigen Gottes.
Seinem Bericht voraus stellte Matthäus daher einen langen Stammbaum von dreimal vierzehn Generationen, der deutlich macht, dass Jesus ausgehend von Abraham zum Geschlecht Davids gehört, aus dem der Retter und Erlöser geboren werden soll. Deshalb war es auch von so großer Bedeutung, dass Josef, der dem Geschlecht Davids entstammte, dieses Kind als seinen rechtmäßigen Sohn anerkannte und sich eben nicht von seiner Verlobten Maria trennte. Für jüdische Ohren war dies von entscheidender Bedeutung und unbedingt notwendig.
Für uns mag damit deutlich werden, an welch seidenem Faden der Menschwerdungsplan Gottes hing – und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Gott respektiert unsere Freiheit. Er will uns zu nichts zwingen, er will uns begeistern – oder mit biblischen Worten gesagt: mit seinem Heiligen Geist überschatten.
Der heilige Franz von Sales hat das einmal mit einem schönen Bild beschrieben: „Gott zieht uns nicht mit eisernen Fesseln an sich wie Stiere oder Büffel, sondern er wirbt um uns, er lockt uns liebevoll an sich durch zarte und heilige Einsprechungen“ (DASal 3,129), damit wir eben aus freien Stücken ja zu seinen Plänen sagen. Liebe ist eben nur in Freiheit möglich. Gott liebt uns und er will gerade deshalb, dass wir in aller Freiheit auf diese seine Liebe antworten.
Maria hat das getan: „Mir geschehe, wie du gesagt hast. Ich bin die Magd des Herrn.“ Und Josef tat es genauso, nachdem ihm der Engel im Traum erschien. Er nahm seine Frau zu sich und stellte damit das Kind, das sie erwartete, in die Reihe des Stammbaumes Davids.
Das ist an dieser Geschichte das eigentlich Entscheidende: Erst die freie Entscheidung des Menschen machte die Menschwerdung Gottes möglich. Und das gilt bis heute: Gott kann nur dann unser Retter und Erlöser sein, was der Name Jesus bedeutet, wenn wir ihn auch den Retter und Erlöser für uns sein lassen. Gott kann nur dann „Immanuel“, der „Gott mit uns“ sein, wenn wir ihn auch bei und mit uns sein lassen. Seine Geisteskraft wirkt in unserem Leben und in unserer Welt, wenn wir diese auch wirken lassen. Wenn wir uns dagegenstellen, wenn wir Gott ins Abseits stellen, ihn ignorieren, machen wir Gott machtlos.
Das Wort „Sünde“ nehmen wir heute nicht mehr so gerne in den Mund. Es ist aber trotzdem ein wichtiges Wort. Es leitet sich vom Wort Absondern ab. Der Sünder sondert sich von Gott ab, er will nichts mehr mit Gott zu tun haben, er sagt Nein zu Gott und seiner Liebe.
Genau das haben Maria und Josef nicht getan. Ganz im Gegenteil. Sie sagten Ja, obwohl sie ganz und gar nicht verstanden, was da genau mit ihnen geschieht. Und damit werden die beiden für uns alle zum großen Vorbild für unsere eigene Gottesbeziehung. Vier Kerzen brennen am Adventkranz, vier Lichter, die deutlich machen: Gott ist ganz nahe. Erneuern wir unser Ja zu Gott, öffnen wir ihm das Herz, damit er ganz neu in uns Mensch werden und seinen Geist in uns zur Wirkung bringen kann, zu unserem Heil und zum Heil der gesamten Welt. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS

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