Predigt zum 3. Sonntag im Jahreskreis (Mt 4,12-23)

Blühe, wo Gott dich hingepflanzt hat

Im Evangelium, das wir soeben gehört haben, fällt auf, dass viele Orte vorkommen: Galiläa, Nazaret, Karfarnaum, Sebulon, Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, der See von Galiläa, also der See Genezaret. Genau dort hat Gott seinen Sohn Jesus Christus hingepflanzt, und genau dort hat er geblüht: er hat dem Volk, das im Dunkel lebte, das Licht gebracht, er hat die Umkehr gepredigt und vom nahen Himmelreich, und er hat Menschen berufen, ihm zu folgen, ihm zu helfen, die Frohe Botschaft zu verkünden und das Volk von den Krankheiten und Leiden zu heilen.

Von Franz von Sales sind auch eine Menge Orte bekannt: die Berge der französischen Alpen, Thorens, Annecy, Genf, Chablais, der See von Annecy, und viele andere zwischen Paris, Turin und Padua. Das Land Savoyen war das Gebiet, in das er von Gott hineingepflanzt wurde, und wo er blühte: er predigte den Menschen die frohe Botschaft, lud sie zur Umkehr ein, brachte ihnen das Licht des Glaubens, indem er ihnen den Gott der Liebe verkündete, und er suchte sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ihm bei seinem Wirken halfen: Johanna Franziska von Chantal zum Beispiel und die Schwestern der Heimsuchung Mariens. Er sah die Not der Menschen in seiner Diözese und wollte sie von ihren Krankheiten und Leiden heilen.

Weder Jesus Christus noch Franz von Sales haben sich darüber beklagt, genau an diesen Orten und nicht anderswo hingepflanzt worden zu sein. Zur Zeit Jesu war der Mittelpunkt der Welt Rom und das römische Reich … dieser Landstrich Galiläa war so ziemlich das Unbedeutendste, was die Welt damals zu bieten hatte. Jesus hat sich nie darüber beschwert und Gott gebeten, ihn doch anderswo hinzupflanzen, wo seine Botschaft viel wirkungsvoller verbreitet hätte werden können. Nein, Jesus blühte genau dort, wo Gott ihn hingepflanzt hat.

Und bei Franz von Sales war es ähnlich. Er bekam sogar einmal das Angebot, Erzbischof von Paris zu werden. In der Nähe des französischen Königs hätte er sicher viel mehr Möglichkeiten gehabt, Einfluss auf die Menschen, auf die Kirche, die Politik auszuüben. Er lehnte ab, denn er fühlte, dass sein Ort, wo Gott ihn haben wollte, die eher unbedeutende, kaum bekannte Kleindiözese Annecy war. Dort, und nirgendwo anders sollte er blühen.

Wir Menschen neigen dazu, uns gerne anderswo hinzuwünschen, als wir gerade sind: Würde ich einen anderen Beruf haben, ja dann könnte ich … würde ich dort sein, oder das sein, ja, dann wäre ich … Franz von Sales meint, dass diese Wünsche und Träume kontraproduktiv sind und uns davon ablenken, genau dort zur Entfaltung zu kommen, wo Gott uns hingepflanzt hat, also genau das zu sein, was wir sind – und zwar gut. Wörtlich empfiehlt Franz von Sales:

„Säen Sie Ihre Bestrebungen nicht in den Garten des Nächsten, sondern bepflanzen Sie nur recht Ihren eigenen. Wünschen Sie nicht, das nicht zu sein, was Sie sind, sondern wünschen Sie, recht gut das zu sein, was Sie sind; … Glauben Sie mir, das ist das wichtigste und doch am wenigsten verstandene Wort der geistlichen Führung. Jeder lebt nach seinem Geschmack; wenige Menschen aber leben … dem Sinn Unseres Herrn entsprechend. Wozu dient es, Schlösser in Spanien zu bauen, da wir in Frankreich wohnen müssen?“ (DASal 6,112)

Schauen wir uns die Berufung der ersten Jünger an: Petrus, Andreas, Johannes. Jesus sagt: Komm mit – und sie gehen mit. Sie fragen nicht: Wie, was, wann, wo, warum, könnte, hätte, würde … Nein: sie lassen ihre Netze fallen und gehen einfach mit, weil Jesus es ihnen gesagt hat und weil sie darauf vertrauten, dass genau das das Beste für sie ist.

Das wäre also der Impuls, den uns das Evangelium des heutigen Sonntags in die kommende Woche mitgeben will: Bin ich zufrieden mit dem Ort, wo Gott mich hingepflanzt hat – und will ich dort einfach blühen, so gut ich kann? Mit meinen Fähigkeiten, die Gott mir gegeben hat, in der Hoffnung, dass Gott das Unvollkommene, das natürlich auch zu mir  gehört, schon nach seinem Willen vollenden wird?

Also: Seien wir, was wir sind, und seien wir es gut … blühen wir dort, wo Gott uns hingepflanzt hat, dann entsprechen wir genau dem, was Gott von uns will. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS