Predigt zum Fest Darstellung des Herrn (Lk 2,22-40)

Nichts Besonderes

Wir feiern das Fest der Darstellung unseres Herrn Jesus Christus. Das Licht zur Erleuchtung der Welt ist aufgestrahlt. Die Hoffnung auf Erlösung ist in Erfüllung gegangen. Jesus Christus lädt uns ein, unser Leben von seinem Licht erleuchten zu lassen, und sein Licht in dieser Welt zum Leuchten zu bringen. Dieser Tag ist auch der „Tag des gottgeweihten Lebens“. Wir denken daher heute auch an alle Ordensgemeinschaften in unserer Kirche, die mit ihrer Berufung versuchen, ein lebendiges Zeugnis vom Licht unseres Herrn abzulegen.

Das, was wir heute feiern, ist eigentlich etwas völlig Normales. Eine junge Familie geht 40 Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes in den Tempel, um es Gott zu weihen. Eine ganz alltägliche Angelegenheit. Die Eltern wissen: Unsere Kinder sind ein Geschenk Gottes. Genau deshalb geht man in den Tempel, um das Kind Gott zu weihen, und man bringt Gott ein Opfer dar, zum Dank für das große Geschenk, das man erhalten hat.

Das Einzige, was unsere biblische Familie – Maria, Josef und Jesus – von so manch anderer Familie von damals unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie schlicht und einfach arm ist. Sie können sich kein Lamm leisten, um es Gott zu opfern, sondern nur zwei Tauben. Aber auch das ist keine so große Affäre. Arme Familien sind in Israel ebenso nichts wirklich Außergewöhnliches.

Die ganze Feier wäre also völlig normal abgelaufen, hätten damals nicht zwei Menschen dieser Normalität einen Strich durch die Rechnung gemacht: der greise Simeon und die greise Hanna, die Prophetin. Diese beiden reagieren plötzlich ganz verzückt, als sie das Kind sahen. Simeon erkennt in diesem Kind die Erfüllung seines Lebens. All seine lebenslangen Sehnsüchte, Erwartungen und Hoffnungen, werden auf einen Schlag Wirklichkeit. Seine Augen haben gesehen, wonach sie ein Leben lang Ausschau hielten. Jetzt kann er endlich in Frieden sterben.

Und bei Hanna ist es ähnlich. Ihr Leben verlief alles andere als glücklich. Vielleicht war sie es die ersten zwanzig Jahre ihres Lebens, als Kind und dann als junge Ehefrau. Sechzig Jahre lang aber war sie nun Witwe, was damals so viel bedeutete wie sechzig Jahre Einsamkeit, Armut, ohne soziale Rechte, ohne gesellschaftliche Anerkennung, also sechzig Jahre Nichts. Und jetzt sieht sie ein Baby und weiß: Jetzt, nach sechzig Jahren Einsamkeit, Armut und Bedeutungslosigkeit bin ich endlich erlöst. Mein Leben hat wieder Sinn.

Von den hunderten Menschen, die jeden Tag im Tempel von Jerusalem aus und ein gingen, haben zwei Menschen begriffen, was an diesem Tag Einzigartiges geschehen ist: Simeon und Hanna. Heute, mehr als zweitausend Jahre später, ist das wahrscheinlich noch genauso. Die Kirche versucht die einzigartige Bedeutung dieses Tages mit einem Symbol zu erklären: Mit der Segnung von Kerzen, mit dem Symbol des Lichtes. Im Grunde sagt uns das heutige Fest nichts anderes, als dass es wieder hell wird in unserer Welt, in unserer Geschichte, in unserem Leben. Die Zeit der Finsternis und Kälte, der Armut und der Einsamkeit, die Zeit des Wartens auf Erlösung und Befreiung ist vorbei. Endlich sehen wir wieder einen Hoffnungsschimmer aufstrahlen und dieser Hoffnungsschimmer hat einen konkreten Namen: Jesus Christus, das Licht der Welt, das Heil für alle Völker, die Herrlichkeit für Israel.

Der heilige Franz von Sales beschreibt dieses Ereignis der „Darstellung des Herrn im Tempel“ mit folgenden Worten: „Seht doch, wie einfach und bereitwillig sich das heilige, herrliche Kind in die Arme des überglücklichen hl. Simeon legen lässt! Es weint nicht und äußert keinerlei Widerstreben, vom Herzen seiner lieben Mutter weggenommen zu werden, wo es ihm so unbeschreiblich wohl war. Was für eine Wonne, ich bitte euch, wenn die heiligste Jungfrau ihm die Brust reichte und die süßen Tropfen in den Mund des Kindes träufelten, wenn sie dabei liebeglühende Seufzer über das kleine Heilandsherz hinhauchte und der Erlöser zum Dank dafür die Augen aufschlug und sie anschaute! Und unter diesen Blicken, diesen Flammen seiner Liebe, zerschmolz ihr fast das Herz“ (DASal 2,202).

Noch einmal: Es ist wirklich nichts Besonderes, was wir heute feiern. Die übliche fromme Handlung einer zwar armen, aber doch religiösen Familie, vierzig Tage nach der Geburt des Kindes. Für einen alten Mann ist an diesem Tag ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Und eine alte Frau hat nach sechzig Jahren Trostlosigkeit das erste Mal wieder so etwas wie Glück und Freude gespürt. Und der Auslöser all dessen, war nur ein kleines Kind namens Jesus. Also wirklich nichts Besonderes. Es ist nichts anderes geschehen, als wenn in der Sahara plötzlich eine Blume blüht. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS