Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis (Mk 13,24-33)
Zeichen der Zeit
Das Kirchenjahr geht dem Ende entgegen. In einer Woche feiern wir den Christkönigssonntag, in zwei Wochen beginnt der Advent. Und im heutigen Evangelium macht uns Jesus auf die „Zeichen der Zeit“ aufmerksam, die wir beachten und richtig deuten sollen. Er spricht vom Kommen des Menschensohnes – und all das hat auch ein wenig mit Weltuntergangsstimmung zu tun, mit der Vergänglichkeit allen Lebens, mit dem Ziel, auf das hin wir unterwegs sind, und mit dem Hinweis der Wachsamkeit, denn niemand kennt den Tag noch die Stunde.
Worauf uns Jesus hier aufmerksam machen möchte, ist also nichts anderes, als dass wir keine Zeit vergeuden, sondern jeden Tag bewusst leben sollen – so als wäre es unser letzter.
Leben wir also nicht einfach so dahin, möchte uns Jesus sagen, sondern nutzen wir jeden Tag dazu, Gott, der uns entgegenkommt, noch etwas näher zu kommen.
Wie geht das? In dem wir uns eben jeden Tag bewusst machen, dass wir in der Gegenwart Gottes leben. Wer das tut, so ist der heilige Franz von Sales überzeugt, für den ist der heutige Tag, ganz egal, was er auch bringen mag, kein verlorener Tag, sondern ein Tag, der uns Gott näher bringen wird. Nutze also jede Gelegenheit dazu, dir die liebende Gegenwart Gottes bewusst zu machen.
Eine andere Möglichkeit sind eben die „Zeichen der Zeit“ – das also, was täglich um uns herum und in der Welt passiert. Heute zum Beispiel ist der „Welttag der Armen“, der „Caritas-Sonntag“ oder „Elisabeth-Sonntag“. Wir werden daran erinnert, dass Armut für sehr viele Menschen ein existentielles Problem darstellt und größtenteils von den Menschen selbst verursacht ist, durch Ausbeutung, Umweltzerstörung, Krieg und Terror. Die „Zeichen der Zeit“ machen uns also nicht nur auf die Gegenwart Gottes in unserer Welt aufmerksam, sondern auch auf die Gegenwart des Bösen, des Teuflischen, auf das Leid, die Sünde und das Elend, die in unserer Welt existieren – und wir alle sind dazu aufgerufen, dagegen etwas zu tun.
Das Ansehen der katholischen Kirche mag ja in der öffentlichen Meinung mehr und mehr negativ dargestellt werden, wir Christinnen und Christen sind und bleiben aber trotzdem diejenigen, die unermüdlich darauf aufmerksam machen, dass die Nächstenliebe – also die Caritas – oberste Priorität hat.
Papst Franziskus schreibt zum Beispiel am Ende seiner Botschaft zum heutigen Welttag der Armen unmissverständlich: „Wir sind aufgerufen, in allen Lebenslagen Freunde der Armen zu sein und in die Fußstapfen Jesu zu treten, der der Erste war, der sich mit den Letzten solidarisierte.“ Und der heilige Franz von Sales meint sogar, dass die Hilfe für die Armen „höher [steht], als die Würde eines Königs.“ (DASal 1,147).
Die Zeichen der Zeit machen deutlich, dass eine solche Einstellung immer weniger Bedeutung hat. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, Machtinteressen haben immer weniger Scheu davor, auf Kosten der anderen ausgespielt zu werden. Umso wichtiger ist es, dass wir Christinnen und Christen nicht müde werden, die Welt auf den Vorrang der Nächstenliebe hinzuweisen. Papst Franziskus etwa meint:
„Die weltliche Denkweise fordert, dass wir jemand sind, dass wir uns trotz allem und jedem einen Namen machen, dass wir gesellschaftliche Regeln brechen, um ja nur Reichtum zu erreichen. Was für eine traurige Illusion! Das Glück erlangt man nicht, indem man das Recht und die Würde anderer mit Füßen tritt.“
Das immer wieder deutlich zu machen, dazu sind wir Christinnen und Christen aufgerufen … nicht nur heute am „Welttag der Armen“, sondern jeden Tag von neuem, gerade jetzt, wo es die Zeichen der Zeit verlangen. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS