Predigt zum 31. Sonntag im Jahreskreis (Mk 12,28b-34)

Liebevolle Frömmigkeit

Falls der christliche Glaube und die katholische Kirche in der Öffentlichkeit von heute überhaupt noch vorkommen, dann meistens leider eher abwertend. Die Frauen dürfen nicht Priester werden, Priester dürfen nicht heiraten; die völlig veraltete Haltung zur Sexualität – Stichwort Empfängnisverhütung – nimmt sowieso keiner mehr ernst; und was soll das mit der Jungfräulichkeit Marias und das mit der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter? In den Himmel, falls es so etwas überhaupt gibt, kommen eh alle, was brauche ich da überhaupt noch Kirchensteuer zahlen? Und am Sonntag hab‘ ich sicher Besseres vor als sinnlos in einer Kirche herumzusitzen und mir Dinge anzuhören, die keiner versteht. Und ja, die Kirche soll einmal vor der eigenen Haustür kehren, mit ihren Missbrauchsskandalen, Scheiterhaufen und Kreuzzügen, bevor sie mir vorschreibt, wie ich mein Leben zu gestalten habe. Bei solchen und ähnlichen Aussagen, bei einem solchen Image ist es eigentlich kein Wunder, dass die Zahl all jener, die sich noch Christinnen und Christen nennen, rapide abnimmt.

All dem können wir eigentlich nur das entgegensetzen, was wir gerade im Evangelium gehört haben. Da wird Jesus von einem Schriftgelehrten, also von einem seiner Kritiker gefragt: Was ist dir eigentlich das Wichtigste? Worauf kommt es dir bei deiner Botschaft an? Und die Antwort Jesu ist frappierend einfach … so einfach, dass es am Ende sogar heißt: Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen. Die Antwort auf die Frage, was ist dir das Wichtigste, lautet einfach nur: „Die Liebe“. Liebe Gott, mit ganzem Herzen, ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und all deiner Kraft … und liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als das.

Unser Papst Franziskus hat uns in seiner neuesten Enzyklika, die er vor zehn Tagen veröffentlichte, genau darauf aufmerksam gemacht. Diese Antwort ist also top-aktuell und entspricht den höchsten lehramtlichen Äußerungen der katholischen Kirche: In unserem Glauben, in unserer Kirche ist das Wichtigste die Liebe. Daher heißt diese Enzyklika auch „Dilexit nos“ – „Er – Jesus – hat uns geliebt.“ Und in den Medien wurde geäußert, dass dieses Rundschreiben das geistliche Vermächtnis von Papst Franziskus darstellt. Er will uns genau wie Jesus Christus auf das Wichtigste aufmerksam machen: die Liebe.

Natürlich freue ich mich sehr darüber, dass Papst Franziskus in dieser Enzyklika „über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi“ dem heiligen Franz von Sales, dem großen Lehrer der Liebe, darin sogar ein eigenes Kapitel widmet. Papst Franziskus hat erkannt, dass für diesen Heiligen die Liebe das entscheidende Kriterium unseres Glaubens und unseres Handeln ist. „Alles gehört der Liebe,“ schrieb der heilige Franz von Sales einmal, „alles liegt in der Liebe, alles ist für die Liebe, alles ist aus Liebe in der heiligen Kirche“ (DASal 3,36).

Was der heilige Franz von Sales und auch Papst Franziskus aufgrund dieses Hauptgebotes der Liebe von uns verlangen, ist ebenfalls etwas sehr Einfaches: nämlich eine herzliche, liebevolle Frömmigkeit. Lebe so, dass die Menschen, denen du begegnest, spüren können, dass Gott Liebe ist. Nur die Liebe wird eine gerechte, solidarische und geschwisterliche Welt ermöglichen.

Nicht nur die Kirche, die ganze Welt hat große Herausforderungen zu bewältigen: Krieg, Terror, Umweltkatastrophen. Umso dringender erscheint es, dass wir Christinnen und Christen, auch oder gerade weil wir immer weniger werden, das, was uns Jesus, Franz von Sales und Papst Franziskus lehren wollen, umso mehr beherzigen: Das Wichtigste ist die Liebe. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS