Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit (Joh 21,1-14)

Mehr Liebe als Strenge

Wenn man die Ostererzählungen genauer betrachtet, so fällt eigentlich auf, wie liebevoll Jesus Christus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern umgeht. Und dabei hätte er doch allen Grund gehabt, ihnen ordentlich den Kopf zu waschen. Zuerst lassen sie ihn alle im Stich, als er sie am notwendigsten gebraucht hätte; in Getsemani sind sie eingeschlafen, dann haben sie ihn verleugnet, verraten, sind davongelaufen, und schließlich haben sie sich hinter verschlossenen Türen versteckt, obwohl alle den Ostermorgen und die Auferstehung Jesu erlebten.

Wie reagiert Jesus darauf? Als erstes wünscht er ihnen den Frieden – Schalom, das Leben in Fülle, und seine zweite Botschaft lautet: Fürchtet euch nicht, ich bin es. Und nun seid nicht ungläubig, sondern gläubig.

Im heutigen Evangelium nun sind die Jünger am See von Tiberias, also genau dort, wo alles begonnen hat. Sie tun wieder das, was sie vorher schon machten: sie fischen, aber ohne Erfolg. Am Morgen dann begegnen sie Jesus – aber sie erkennen ihn wieder nicht. Genauso wie Maria von Magdala oder die Emmausjünger brauchen sie eine gewisse Zeit, um zu begreifen, dass der, der da vor ihnen steht, Jesus ist, der Herr, der Auferstandene.

Jesus kritisiert all das nicht, sondern macht etwas ganz anderes: Er lädt sich zum Essen ein. Er schimpft nicht, sondern sagt einfach: Fahrt noch einmal hinaus, dann werdet ihr Fische fangen. Und nach dem reichen Fischfang – hundertdreiundfünfzig große Fische – hält Jesus den Aposteln keine Brandrede, sondern sagt ganz einfach: „Kommt her und esst!“

Das Verhalten Jesu den Jüngerinnen und Jüngern gegenüber ist also einladend, ermutigend, friedvoll, berührend, verständnisvoll, mit einem Wort: voller Liebe.

Und damit zeigt er auch uns, wie wir miteinander, mit uns selbst, mit all jenen, die sich mit dem Glauben, der Kirche schwer tun, umgehen sollen. Der heilige Franz von Sales bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Besser mehr Liebe, als mehr Strenge“ (DASal 2,135).

Franz von Sales wurde als Bischof hin und wieder sehr heftig kritisiert, weil er so unendlich geduldig und sanftmütig war. Andere wollten, dass er einmal ordentlich auf den Tisch haut, damit in der Diözese endlich etwas weitergeht. Er sagte darauf: „Ich weiß, dass ich nicht vollkommen bin und meine Schwächen habe, aber wenn ich schon sündige, dann lieber wegen zu großer Milde als wegen zu großer Strenge.“

Franz von Sales hat sich dieses Verhalten von Jesus abgeschaut. So wie Jesus wollte er sein, so wie Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern umging, so wollte auch er sich den Menschen gegenüber verhalten, denen er begegnete.

Zu große Milde wird oft als Schwäche ausgelegt. Der Ruf nach dem starken Mann oder der starken Frau hat sich allerdings in der Geschichte nur allzu oft als teuflische Versuchung herausgestellt. Mit dem Schwert dreinhauen bringt nichts, das müsste uns die Geschichte eigentlich schon längst gelehrt haben. Wahre und echte Stärke hat mit Sanftmut und Geduld zu tun. „Nichts besänftigt den rasenden Elefanten so leicht wie der Anblick eines Lammes“, sagt Franz von Sales, „und nichts bricht so leicht die Wucht eines Geschosses wie weiche Wolle“ (DASal 1, 130).

Jesus Christus hat begriffen, dass seine Methode eine liebevolle sein muss, damit die Jüngerinnen und Jünger Schritt für Schritt erkennen, worum es wirklich geht. Diese Methode dauert natürlich etwas länger … aber sie ist viel nachhaltiger, und vor allem ist sie die Methode Jesu. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS