Predigt zum Weihetag der Lateranbasilika (Joh 2,13-22)
Kirche sein
Dreihundert Jahre lang wurde die Kirche im römischen Reich schwerstens verfolgt. Das änderte sich unter Kaiser Konstantin, der überzeugt war, dass die Einheit des römischen Reiches durch eine einheitliche Religion gefestigt und bewahrt bleiben kann. Aus diesen politischen Gründen heraus bestimmte er das Christentum zur Staatsreligion und ließ einige Basiliken errichten, eine davon war die Lateranbasilika in Rom, die noch heute der Bischofssitz des Bischofs von Rom, also des Papstes ist. Geweiht wurde sie von Papst Silvester, dessen Name in aller Welt mit dem Jahreswechsel verknüpft ist.
Wenn wir heute das Weihefest dieser Hauptkirche Roms feiern, so gibt uns das die Möglichkeit, einmal darüber nachzudenken, was Kirche eigentlich ist, bzw. sein könnte oder sollte, zumal in der Kirche bis heute vieles auch an den Zorn Jesu erinnert, angesichts der Markthalle, die man aus dem Tempel machte, was ihn zum prophetischen Wort hinreißen ließ, alles niederzureißen, damit er es wieder aufbauen kann.
Bei aller Machtpolitik und auch Missbrauchsgeschichte dieser jetzt 2000 Jahre alten Institution, die uns tatsächlich zornig werden lassen kann, sollten wir uns doch wenigstens zwei Dinge vor Augen halten:
Erstens, der griechische Namen für Kirche lautet Ekklesia … und das heißt wörtlich übersetzt: Herausrufen, Berufen. Die Kirche ist also gar kein Gebäude, nicht einmal eine Institution, sondern, wie es auch der heilige Franz von Sales formulierte, die Gemeinschaft all jener, die Jesus Christus herausgerufen und in seine Nachfolge berufen hat. „Sie ist eine Gemeinschaft von Menschen, geeint und vereinigt im Bekenntnis des einen gleichen christlichen Glaubens.“ (DASal 10,41).
Wenn wir uns die ersten Jüngerinnen und Jünger anschauen, dann war das ein bunter Haufen von Frauen und Männern, denen eines gemeinsam war: die Begeisterung für Jesus Christus und seine Botschaft und die Bereitschaft, am Reich Gottes mitzubauen und die Botschaft Jesu in alle Welt zu tragen und zu leben. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Kirche ist die Gemeinschaft der durch die Taufe Berufenen, um mit ihren jeweiligen Talenten und Fähigkeiten das Evangelium zu leben – und das geht nur in der Vielfalt, international, kulturell, katholisch, im Sinne von kat-holos also weltweit, nicht ausschließend, sondern offen für das überraschende Wirken der göttlichen Geisteskraft mitten unter uns.
Die Einheit in dieser Vielfalt ist das Haupt der Kirche, nämlich Jesus Christus. Und das führt uns zum zweiten wichtigen Gedanken. Der Name „Kirche“ kommt vom griechischen Wort „Kyrios“ – Herr. Damit meinen wir Christinnen und Christen seit eh und je Jesus von Nazaret, den menschgewordenen Sohn Gottes, der durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung die Welt erlöste. Er ist unser Herr, er ist der Eckstein, der seine Kirche zusammenhält und durch die Zeiten trägt. Ohne Jesus ist Kirche nicht möglich, Kirche muss immer von Jesus her gedacht sein, nicht vom Papst, nicht von den Bischöfen, Priestern und Ordensleuten, nicht von irgendwelchen Gebäuden, so schön sie auch sein mögen, sondern immer von Jesus Christus her. Er ist das Haupt und die Mitte unserer Religion, alles andere sind Glieder in allen Variationen, mit unterschiedlichsten Charismen – und natürlich auch mit Fehlern und Schwächen.
„Heilig“ ist die Kirche also nicht deshalb, weil wir so viele Heilige und Selige verehren, auch nicht, weil es so viele, so wunderbare kirchliche Kunstwerke gibt, sondern, wie es der heilige Franz von Sales formulierte, „weil sie die Kirche unseres Herrn Jesus Christus ist, weil sie deshalb Gott geweiht ist und dadurch auf heilige Weise glaubt, hofft und liebt.“ (vgl. DASal 10,85).
Das Fest der Weihe der Lateranbasilika in Rom will uns also nicht daran erinnern, wie mächtig und prächtig dieses Kirchengebäude ist, sondern dass all das, was wir Kirche nennen, bedeutungslos wäre, ohne Jesus Christus. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS

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