Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis (Lk 18,1-8)

Bete allezeit

der Auftrag Jesu ist klar und deutlich: „Betet allezeit und lasst darin nicht nach“. Die Frage ist natürlich: Wie geht das? Und was muss man dabei beachten?

Es geht eigentlich ganz einfach. Ich muss – wie der heilige Franz von Sales immer wieder betont – mir nur bewusst machen, dass ich in der Gegenwart Gottes lebe: Gott, du bist da, wie die Luft, die ich atme, wie ein Freund, eine Freundin, die mich besucht. Es gibt keinen Ort und kein Ding, wo Gott nicht gegenwärtig ist.

Bin ich mir dieser Gegenwart bewusst, fällt es mir auch nicht schwer, mit Gott allzeit in Kontakt zu treten, mit ihm zu kommunizieren, mit ihm zu reden – über alles, was mich bewegt, mir durch den Kopf geht, was mich freut, was mich ärgert, wofür ich dankbar bin, worum ich Gott bitten will.

Warum tun wir uns damit so schwer? Vielleicht liegt es am Bild, das wir uns von Gott machen.

Das Gleichnis, das Jesus im heutigen Evangelium erzählt, um uns daran zu erinnern, dass wir allezeit beten und daran nicht nachlassen sollen, weist jedenfalls sehr stark darauf hin, dass unser Beten sehr oft deshalb nicht gelingt, weil wir Gott völlig falsch verstehen.

Jesus erzählt vom rücksichtslosen Richter, dem die Anliegen der Witwe völlig egal sind. Nur weil die Witwe nicht aufgibt, ihn nicht in Ruhe lässt und ihm sogar Schläge androht, verhilft der ungerechte Richter dieser Witwe zum Recht, damit er endlich seine Ruhe hat.

So, so stellt Jesus mit dieser Geschichte klar, ist Gott ganz und gar nicht, auch wenn ihr euch das vielleicht so vorstellt. Gott ist kein rücksichtsloser Richter, dem die Anliegen der Menschen egal sind, und der nur deshalb hilft, damit er in Ruhe gelassen wird. Wer so von Gott denkt, der tut sich natürlich sehr schwer, allzeit zu beten und darin nicht nachzulassen.

Gleiches gilt für jene, die Gott als bloße transzendente Größe betrachten, weit weg von allem, was mich kleines Geschöpf umtreibt. Oder als Polizist, der nur danach trachtet, mich bei irgendeiner Straftat zu erwischen, damit er mich bestrafen kann, oder als Lückenfüller, der nur dazu da ist, meine Wünsche zu erfüllen, und der mir, wenn das nicht geschieht, gestohlen bleiben kann. Wozu brauche ich dann einen Gott, wenn er ohnehin nicht tut, was ich will?

Jesus möchte, dass wir lernen, Gott als ein Du zu begreifen, dem wir vertrauen, dem wir glauben, dass er uns liebt und möchte, dass wir glücklich werden.

„Gott macht alles richtig und ordnet alle Dinge zum Besten“ (DASal 5,158), schreibt der heilige Franz von Sales in einem Brief an Johanna Franziska von Chantal. Er macht ihr Mut, Gott zu vertrauen, ihr Leben mit seiner liebenden Gegenwart erfüllen zu lassen, selbst dann, wenn es im Leben einmal nicht so läuft, wie wir es gerne hätten. Trotzdem: „Gott macht alles richtig und ordnet alle Dinge zum besten.“ Daher ist es gut, allezeit zu beten – allezeit mit Gott in Kontakt zu stehen – und darin nicht nachzulassen.

„Es ist noch keiner getäuscht worden“, so sagt Franz von Sales an einer anderen Stelle, „der sein ganzes Vertrauen auf Gott gesetzt hat“ (vgl. DASal 2,87).

Und so empfiehlt er uns: „Wenn du dein ganzes Vertrauen auf Gott gesetzt hast, wirst du den besten Erfolg haben, mag er nun deinem menschlichen Ermessen gut oder schlecht erscheinen. Mache es wie die kleinen Kinder: Mit der einen Hand halten sie sich am Vater fest, mit der anderen pflücken sie Erdbeeren und Brombeeren am Wegrain. So sammle und gebrauche auch du die irdischen Güter mit der einen Hand, mit der anderen halte dich an der Hand des himmlischen Vaters fest. Schau immer wieder zu ihm auf, ob ihm dein Tun und dein Wandel recht ist. Hüte dich vor allem, seine Hand loszulassen und dich seiner Obhut zu entziehen“ (DASal 1,135).

Die Frage, die Jesus am Ende des heutigen Evangeliums stellt, ist also eine Frage an uns und unser Gottesbild, an unsere Gottesbeziehung, an unser Gottvertrauen: „Wird der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf Erden finden?“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS