Maria Verkuendigung, Gemälde von Maximilian Reinitz, Sammlung Belvedere

Predigt zum Hochfest Verkündigung des Herrn (Lk 1,26-38)

Der Plan Gottes

in neun Monaten ist Weihnachten … genau deshalb feiern wir heute das Hochfest „Verkündigung des Herrn“.

Das Mädchen Maria aus Nazaret wird von einem Engel Gottes besucht und erfährt, dass sie ein Kind gebären wird, den Sohn Gottes, den Messias, den Retter der Welt. Neun Monate später erfüllt sich diese Prophezeiung des Engels in der Geburt Jesu Christi in Betlehem, im „Sohn des Höchsten“, dessen „Herrschaft kein Ende haben wird“.

Seither ranken sich alle möglichen Fragen um dieses große Verkündigungsfest. War es wirklich so, oder ist es nur eine schöne Legende, um das Göttliche und Wunderbare der Geburt Jesu zu unterstreichen? Ist Jesus in Wirklichkeit nicht doch der leibliche Sohn des Josef, der später noch weitere Söhne und Töchter zeugte? Ist die Jungfrau Maria tatsächlich jungfräulich – oder nur eine sehr junge Frau?

In der Katholischen Kirche wurden diese Fragen sogar durch Dogmen, also höchste und unveränderbare Lehrentscheidungen beantwortet: Maria ist „Gottesgebärerin“, also die Mutter Gottes – und ihre Jungfräulichkeit ist immerwährend, also vor, bei und nach der Geburt Jesu. Und genauso wie Maria fragen sich die Menschen seither, und heute wahrscheinlich noch mehr als früher: „Wie soll das geschehen?“

Der heilige Franz von Sales hat sich mit diesem Thema natürlich auch beschäftigt, zumal in seiner Zeit noch eine weitere Frage heftig diskutiert wurde, die heute ein wenig in der Hintergrund gerückt ist. Nämlich: Wäre Gott auch dann Mensch geworden, wenn der Mensch nicht gesündigt hätte? Also: Ist die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus nur eine Folge des Sündenfalls des Menschen, oder war dies Gottes Plan von Beginn der Schöpfung an, unabhängig davon, ob der Mensch sündigt oder nicht.

Die Antworten des heiligen Franz von Sales auf all diese Fragen sind eigentlich sehr einfach verständlich:

Zum einen meint er: Gott ist allmächtig. Er braucht sich daher nicht an Naturgesetze zu halten, wenn er das nicht will. So hat es ihm eben gefallen, durch eine übernatürliche Zeugung Mensch zu werden. Warum? Das müssen wir Gott selbst fragen, für uns gilt eben das, was auch der Engel zu Maria sagte: „Für Gott ist nichts unmöglich“.

Zum anderen meint Franz von Sales: Gott ist Liebe – und weil Gott den Menschen liebt, plante er von Ewigkeit her, Mensch zu werden, um dem Menschen seine große Liebe zu bezeugen. Und das geschah vollkommen unabhängig davon, wie sich der Mensch nach seiner Erschaffung entwickelt. Also nicht die Sünde des Menschen war der Auslöser zum göttlichen Plan der Menschwerdung, sondern Gottes Liebe zu uns Menschen.

An diese beiden Antworten aus der salesianischen Lehre und Spiritualität erinnert uns also das Hochfest der Verkündigung des Herrn: Bei Gott ist nichts unmöglich, es steht ihm völlig frei, wie er handeln will. Und das Zweite: Gott handelt immer aus Liebe, weil er Liebe ist.

Was wir Menschen uns angesichts der großen Geheimnisse des heutigen Festes und ihrer Diskussionen darüber zum Vorbild machen sollten, das ist die Haltung Marias: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du gesagt hast.“

Es geht also um die Demut, die die Größe und Unbegreiflichkeit Gottes anerkennt. Und es geht um die Hingabe: „Dein Wille, o Gott, möge geschehen, weil ich weiß, dass du mich liebst.“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS