Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17,20-26)
Eins sein
Jesus Christus geht es im heutigen Evangelium um die Einheit. Er hebt seine Augen zum Himmel und betet: „Heiliger Vater, alle sollen eins sein: Wie du Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ Und etwas später: „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast.“
Die Einheit im Glauben ist Jesus Christus also wichtig. Sie ist wesentlich und fundamental für die Glaubwürdigkeit der Christinnen und Christen in der Welt.
Dass diese Einheit immer wieder auf dem Spiel steht, zeigt uns die Kirchengeschichte von Anfang an. Streitigkeiten und Konflikte in der Auslegung des Glaubens führten immer wieder zu Kirchenspaltungen und Absplitterungen, die die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft bis zum heutigen Tag in Frage stellen. Kritische Stimmen fragen zurecht: Was glaubt ihr Christinnen und Christen jetzt eigentlich wirklich? Die einen sagen das, die anderen das, … was stimmt jetzt und was nicht?
In diesem Heilige Jahr 2025, das unter dem Thema „Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung steht“ feiert die Christenheit auch ein ganz besonderes Jubiläum, nämlich das Konzil von Nicäa, das im Jahr 325, also vor genau 1700 Jahren stattfand. Und es grenzt tatsächlich an ein Wunder, dass sich bei diesem Konzil alle Christinnen und Christen auf ein Glaubensbekenntnis einigen konnten, das bis zum heutigen Tag im Wesentlichen immer noch gilt. Es ist das so genannte „Große Glaubensbekenntnis“. Wir finden es im Gotteslob unter der Nummer 586. Dieses Glaubensbekenntnis, das vor 1700 Jahren beim Konzil von Nicäa formuliert, und 381 beim Konzil von Konstantinopel durch eine genauere Beschreibung des Heiligen Geistes ergänzt wurde, wird noch heute von allen im Ökumenischen Rat der Kirchen vertretenen christlichen Konfessionen bekannt. Von den Katholiken genauso wie von den Orthodoxen, den Anglikanern, den Protestanten und allen anderen. Wenn wir also gefragt werden, woran wir Christinnen und Christen der ganzen Welt glauben, dann brauchen wir nur dieses „Große Glaubensbekenntnis“ zitieren. Das vereint uns alle:
Wir glauben an den einen Gott, den Schöpfer der Welt, an Jesus Christus seinen Sohn, an den Heiligen Geist, der Gott ist und lebendig macht, an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, an die Taufe zur Vergebung der Sünden, die Auferstehung der Toten und das Ewige Leben.
Diese Einheit im Glauben, um die Jesus Christus so innig betete, ist und bleibt jedoch zerbrechlich und eine ständige Herausforderung. Beim Ringen um diese Einheit, bei den Bemühungen um Ökumene, um das Einssein aller Christinnen und Christen, sollte allerdings nicht das gegenseitige Verurteilen und Verdammen im Vordergrund stehen, sondern der Blick auf die Vielfalt.
Das Kirchenbild des heiligen Franz von Sales, das er inmitten der heftigen Auseinandersetzungen zwischen Reformation und Gegenreformation formulierte, könnte uns dabei eine große Hilfe sein:
„Die Kirche ist einem Garten vergleichbar“ schreibt er, „geschmückt mit der Lieblichkeit unzähliger Blumen, die sich alle in Größe, Farbe, Duft und Schönheit voneinander unterscheiden; doch hat jede ihre Kostbarkeit, ihre Anmut, ihre Farbenpracht, und alle zusammen bilden durch die Vereinigung ihrer Mannigfaltigkeit die Vollendung einer höchst ansprechenden Schönheit“ (DASal 3,117-118).
Einheit bedeutet also nicht Uniformität, sondern das gegenseitige Anerkennen der Vielfalt in ihrer Kostbarkeit und Farbenpracht. Vorbild für diese Einheit in der Vielfalt ist nichts weniger als Gott selbst, der eine Gott, den wir nicht in seiner Uniformität verehren, sondern in seiner Dreifaltigkeit als Gott Vater, als Gott Sohn, als Gott Heiliger Geist, dessen Ausgießung wir in wenigen Tagen am Pfingstfest wieder feiern werden.
Nutzen wir die Tage der Vorbereitung auf dieses Fest dazu, um so wie Jesus um das Einssein aller Christinnen und Christen zu beten, damit wir gerade in der Mannigfaltigkeit die höchst ansprechende Schönheit der Christenheit erkennen und anerkennen, deren Fundament der Einheit das 1700 Jahre alte „Große Glaubensbekenntnis“ von Nicäa bildet. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS