Predigt zum 2. Sonntag im Jahreskreis (Joh 2,1-11)
Liebe im Übermaß
Das Weinwunder bei der Hochzeit von Kana ist beim Evangelisten Johannes – und nur er berichtet davon – das erste Wunder, das Jesus wirkt. Und das hat einen bestimmten Grund. Johannes geht es darum, den Menschen deutlich zu machen, dass Gott, der die Liebe ist, in Jesus Christus Mensch wurde, und dass diese Liebe Gottes maßlos, grenzenlos ist.
Eine Hochzeit ist ein Fest, an dem es um die Liebe geht. Zwei Menschen sagen Ja zueinander. Gäste werden dazu eingeladen, alle sollen es wissen: Seht, wir lieben uns. Es ist eigentlich bis heute so, dass beim Hochzeitsfest alles perfekt sein sollte. Dazu gehört auch das Essen und Trinken. Zur Zeit Jesu war es jedenfalls selbst in den ärmsten Familien überaus peinlich, wenn die Gäste nicht genug zu essen und zu trinken bekamen. Und genau das passiert bei dieser Hochzeit in Kana: „Sie haben keinen Wein mehr!“ Und dann setzt Jesus ein Zeichen, das den Rahmen einer gewöhnlichen Hochzeitsfeier sprengt. Er präsentiert den Menschen sechshundert Liter ausgezeichneten Weines. Damit will er sagen: So ist Gott zu uns Menschen, er überschwemmt uns mit seiner Liebe in ungeahntem Ausmaß. Gottes Liebe ist grenzenlos, ja maßlos.
Das sagt auch der heilige Franz von Sales: „Welche Freude, lieben zu können, ohne ein Übermaß fürchten zu müssen!“ (DASal 5,220). „Das Maß der Liebe zu Gott ist Liebe ohne Maß. … Setze der Liebe keine Schranken, lasse sie ihre Äste breiten, so weit sie nur kann“ (DASal 2,67).
Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist in der Bibel eine Liebesgeschichte mit allem, was zu einer solchen Geschichte dazugehört. Gott wirbt um die Liebe der Menschen, der Mensch weist Gott immer wieder ab, ja geht sogar fremd und unterwirft sich anderen Göttern. Gott jedoch gibt nicht auf, er hält dem Menschen die Treue. Er ist eifersüchtig und wird auch zornig, wenn er sieht, dass ihn die Menschen betrügen, aber sein Bund, den er mit seinem Volk geschlossen hat, bleibt bestehen. Seine Liebe geht sogar so weit, dass er Mensch wird und sich aus Liebe zu den Menschen ans Kreuz schlagen lässt. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt,“ hören wir vom Evangelisten Johannes, „dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Joh 3,16). Beim letzten Abendmahl zitiert er Jesus mit den Worten: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde“ (Joh 15,13-14).
Dieses Übermaß an der Liebe Gottes zu uns Menschen soll gleich durch das erste Zeichen, das Jesus wirkte, durch die 600 Liter besten Weines, deutlich werden.
Manchmal kann es geschehen, so wie es auch der Mutter Jesu passierte, dass wir das Verhalten Gottes nicht verstehen. „Was willst du von mir Frau, meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Was hat eine solche abweisende Antwort mit Liebe zu tun. Aber es ist gut, dass der Evangelist Johannes diesen Satz nicht unter den Tisch fallen lässt. Es zeigt uns nämlich die Unbegreiflichkeit Gottes. Diese Worte machen deutlich, dass auch wir oft genug Probleme mit den göttlichen Plänen und Verhaltensweise haben und haben dürfen. Was dabei jedoch wichtig ist, ist die Antwort Marias: „Was er euch sagt, das tut“. Es geht um das Vertrauen. Keine Angst, auch wenn wir es nicht begreifen, Gott weiß, was er tut. Tut einfach, was er sagt. Seine Liebe ist grenzenlos, glaubt einfach, hofft und liebt. Oder wie Franz von Sales sagt: „Welche Liebe! Welche Seligkeit! Nein, nie – so werden wir in diesem Übermaß unserer Wonne ausrufen – nie hätten wir zu ahnen vermocht, dass wir einmal so beglückende Wahrheiten sehen würden.“ (DASal 3,187). Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS