Unermüdlich unterwegs im Auftrag Gottes
Pater Josef Bürstlinger wurde Ordensmann und ließ sich zum Priester weihen, weil er jemand war, der daran glaubte, dass Gott es war, der das wollte.
Deshalb sind wir jetzt hier in der Kirche. Deshalb feiern wir diesen Gottesdienst. Deshalb haben wir den Friedhof verlassen, weil wir daran glauben, dass er nicht mehr dort oben, sondern bei Gott zu finden ist. Wir sind hier, weil wir voll Hoffnung sind, dass es ihm gut geht.
„Herr, ich habe Gnade gefunden in deinen Augen und du erweisest mir große Barmherzigkeit“ – diese Worte aus dem Buch Genesis wählte der junge Josef Bürstlinger als seinen Primizspruch bei der Priesterweihe 1962.
Heute, da wir Abschied von Pater Josef nehmen, der am 18. Juni im Alter von 89 Jahren heimgegangen ist, erkennen wir, wie sehr es seine Worte wurden. Sie durchzogen sein ganzes Leben, Wirken und Sprechen als Priester. Wir alle haben Gnade gefunden, wir sind Geliebte und Beschenkte Gottes, und Er erweist uns allen große Barmherzigkeit.
Am 10. Dezember 1935 wurde Josef in Bayern als viertes von zehn Kindern geboren. „Im März 1955“, so schrieb er an den damaligen Provinzial, „habe er den Entschluss gefasst, Oblate zu werden. Weil“, wie er schreibt, „er sich innerlich dazu getrieben fühlt, dem Herrn ganz zu dienen“.
Diese Ordensgemeinschaft mit ihrer besonderen Spiritualität der Sanftmut und Zärtlichkeit Gottes, die das Heilige im Alltäglichen zu würdigen versucht, wurde zu seiner geistlichen Heimat.
1962, nach sieben Jahren der Vorbereitung und des Wachsens in seinem Glauben, empfing Josef die Priesterweihe.
Wie viele andere junge Ordensleute träumte auch er zunächst von der Missionsarbeit in fernen Ländern, vom Verkünden des Evangeliums in fremden Kulturen. Doch der Plan für ihn sah anders aus: Seine Berufung lag hier, in der Nähe – zunächst drei Jahre in der Steiermark (1962-1965), dann sechzehn prägende Jahre in Kärnten (1965-1981), und schließlich über vier Jahrzehnte in Wien und Umgebung, wo er für unzählige Menschen zu einem wahren Segen wurde.
„Unheimlich fleißig“ – so beschrieb ihn ein Mitbruder. Josef war unermüdlich unterwegs im Auftrag Gottes, suchte aber niemals das Rampenlicht, sondern schätzte den stillen Einsatz. Gerade diese Demut und Bescheidenheit machten ihn zu einem glaubwürdigen Zeugen des Evangeliums.
In seiner Ausbildungszeit wurde er als „zurückgezogen, abwartend, ein wenig phlegmatisch“ charakterisiert – Eigenschaften, die sich durch sein ganzes Leben zogen. Wenn andere umtriebiger, lauter oder kreativer auftraten, überließ er ihnen gern die erste Reihe und Bühne.
Für ihn zählte nicht die Macht, sondern der Dienst; nicht die Lautstärke, sondern die stille Hingabe. Ein Mann mit feinem Humor und weitem Herzen, ein Asket mit stiller, aber spürbarer Kraft.
Das Laute und Oberflächliche mied er; Feiern und Smalltalk waren nicht seine Welt. Er war ein Ordensmann, der in aller Äußerlichkeit schlicht und zurückgezogen lebte, aber in seinem Inneren reich und wach war. Ein Seelsorger, der lieber im Stillen wirkte als auf der Bühne zu stehen. Ein sehr genügsamer Mensch, mit einem lächelnden Gesicht und einem freundlichen Wort.
Seinem priesterlichen Auftrag blieb er stets treu, denn Gewissenhaftigkeit und Verlässlichkeit prägten sein Handeln, Pflichtbewusstsein und Beständigkeit.
Sein Terminkalender war stets gefüllt: Besuche bei den Menschen, Beichtdienst, Vorträge, Sakramentenspendung, geistliche Gespräche. In Wien und Umgebung kannte er unzählige Adressen, die er regelmäßig aufsuchte, weil er eingeladen war, vom salesianischen Gott zu erzählen. Überall verkündete er die Botschaft von unserem liebenden, zärtlichen Gott. So sehr ging er in seinem Dienst auf, dass oft kaum Zeit für persönlichen Austausch blieb. Nie aufdringlich war er, aber immer bereit.
Jeden Tag stand er vor Sonnenaufgang auf, um zu beten, um in der Stille Kraft zu schöpfen für die Aufgaben des Tages. Er war ein betender Mensch – und aus diesem Gebet erwuchs die Energie für seinen selbstlosen Dienst.
Seine Welt war die Begegnung mit Gott, mit Franz von Sales und die Begegnung mit den Menschen in deren Nöten und Sorgen. Einige seiner Lieblingsstellen im Neuen Testament verraten viel über sein Herz: das Gleichnis vom barmherzigen Vater und die Geschichte vom verlorenen Schaf. Diese Texte prägten seine Verkündigung. Schriftliche Notizen für die Predigt brauchte er nicht – die Botschaft der Barmherzigkeit Gottes trug er im Kopf und vor allem im Herzen.
Nach seinem aktiven Pfarrdienst setzte Pater Josef seinen Dienst als Beichtvater in St. Anna fort.
Später wirkte er bei den Schwestern in Gablitz und schließlich bis zu seinem Tod bei den Franziskanerinnen von der christlichen Liebe. Ein treuer Seelsorger war er, liebevoll und eifrig, 24 Stunden für die Menschen da.
Sein Leben war voller Hingabe, Stille, Treue und seelsorglicher Nähe. Er war mehr als ein Beichtvater – er war ein geistlicher Begleiter, ein Freund, ein Bruder im Glauben. Er war da, zu jeder Zeit, für die Kranken, die Suchenden, die Berufenen.
Sehr gerne war er die letzten Jahre bei den Franziskanerinnen von der christlichen Liebe im 7. Bezirk. Er wusste, dass die Schwestern ihn mochten und seinen Dienst sehr schätzten, und die Schwestern wussten, dass er sie mochte.
Heute, da wir von Pater Josef Abschied nehmen, dürfen wir sagen: Die Worte seines Primizspruches haben sich erfüllt. Er hat wahrhaft Gnade gefunden in den Augen Gottes. 89 Jahre lang durfte er die Barmherzigkeit Gottes erfahren und weitergeben.
Seine Mission, von der er als junger Mann träumte, hat er erfüllt – nicht in fernen Ländern, sondern hier bei uns. Er war ein Missionar der Barmherzigkeit, ein Verkünder der Liebe Gottes, ein treuer Hirte, der seine Schafe kannte und liebte.
Wir trauern um einen treuen Priester, einen bescheidenen Diener Gottes, einen Mann des Gebetes. Zugleich dürfen wir dankbar sein für sein Leben und Wirken. Durch ihn haben viele Menschen die Liebe Gottes erfahren. Seine Worte, seine Besuche, seine Sakramentenspendung – all das bleibt als Segen in den Herzen der Menschen.
Sein Tod kam plötzlich – trotz seines hohen Alters. Vielleicht, weil er bis zuletzt gelebt hat, gearbeitet hat – nicht „abgewartet“.
Es lebt sich anders, wenn man an einen Gott glauben kann. Man kann anders mit der Geschichte umgehen, vor allem auch mit der eigenen Geschichte. Und man hat einen anderen Blick auf das Ende, wenn man daran glaubt, dass das Leben nicht zu Ende geht, sondern dass es ein Weiterleben, ein Leben bei Gott gibt.
Die Stille der frühen Morgenstunden, in der er so oft zu Gott fand, möge ihm nun zur ewigen Heimat werden. Jene Barmherzigkeit, die er zeitlebens verkündete, möge ihm nun in ihrer ganzen Fülle begegnen.
Provinzial P. Josef Költringer OSFS (Wien-Krim, 3. Juli 2025)