Predigt zum Fest Christi Himmelfahrt (Lk 24,46-53)
Himmlische Gegenwart
Christi Himmelfahrt, oder wie wir es im Glaubensbekenntnis beten „Christus aufgefahren in den Himmel“, das klingt, als würde Jesus nach getaner Arbeit aus der Welt verschwinden und seine Jüngerinnen und Jünger ihrem Schicksal überlassen.
Dass diese Deutung jedoch nicht stimmen kann, sagt uns das heutige Evangelium, wo es am Ende heißt: „Dann kehrten die Jüngerinnen und Jünger in großer Freude nach Jerusalem zurück. Und sie waren immer im Tempel und priesen Gott.“
Diese große Freude und dieser Lobpreis können nicht dadurch ausgelöst worden sein, dass Jesus verschwunden ist. Das muss einen anderen Grund haben.
Im Katechismus für Kinder habe ich eine recht einfache Erklärung gefunden. Auf die Frage „Warum blieb Jesus nicht für immer auf der Erde?“ steht da als Antwort: „Jesus wollte allen Menschen zu allen Zeiten und in allen Völkern nahe sein. Vom Himmel aus kann Jesus immer, überall und für alle da sein.“
Das Wort „Himmel“ bedeutet in der Bibel ja nicht das, was wir heute Weltall oder Universum nennen. „In den Himmel aufgefahren“ heißt also nicht, dass Gott Vater wie ein Raumschiff Jesus abgeholt und auf einen weit entfernten Stern gebracht hat. Mit Himmel wird die Gegenwart Gottes bezeichnet – und als geübte Schülerinnen und Schüler des heiligen Franz von Sales wissen wir, dass diese Gegenwart Gottes, dieser Himmel nicht irgendwo ist, sondern mitten unter uns. Wenn Jesus in den Himmel aufgefahren ist, dann heißt das nur, dass damit sein Erlösungswerk, das mit der Menschwerdung Gottes begann und in Leiden, Tod und Auferstehung seinen Höhepunkt erreichte, nun vollendet ist. Gottes Wirken unter den Menschen geht jedoch weiter bis ans Ende der Zeiten durch die Kraft des Heiligen Geistes, der am Pfingstfest über die Jüngerinnen und Jünger ausgegossen wurde und die Geburtsstunde der Kirche einläutete.
„Der Heilige Geist“, so erklärt der heilige Franz von Sales, „ist das Band der Liebe zwischen Gott Vater und Gott Sohn“ (DASal 11,139). Und diese Liebe ist unter uns gegenwärtig, sie wirkt und bleibt wirksam.
Diese Erkenntnis ist tatsächlich ein Grund zur Freude und zum Lobpreis Gottes. Im Heiligen Jahr 2025 wird diese Erkenntnis außerdem zum Kern und Fundament unserer christlichen Hoffnung: Gott ist uns nahe, ja sogar näher, als wir uns das überhaupt vorstellen können, und nicht nur uns ist er nahe, sondern allen Menschen, allen Völkern. Seine liebende Gegenwart begleitet uns zu allen Zeiten.
Bei aller Freude und allem Lobpreis darüber dürfen wir allerdings nicht vergessen, dass Jesus uns bei seiner Himmelfahrt auch einen Auftrag mitgibt: „Ihr seid Zeugen!“ steht im Evangelium.
Wir Christinnen und Christen, in allen Nationen und zu allen Zeiten, du und ich, hier und heute, wir sind Zeuginnen und Zeugen für Jesus Christus, in dem wir mit unseren jeweiligen Fähigkeiten seine liebende Gegenwart unter den Menschen spürbar und erfahrbar machen. Durch uns also, durch unser Handeln, unsere Worte, unsere Begegnungen soll die Welt erkennen, dass Gott Vater und Gott Sohn im Heiligen Geist immer und überall wirksam ist, heute und in Ewigkeit. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS