Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis (Lk 17,5-10)

Stärke unseren Glauben

Am Beginn des heutigen Evangeliums bitten die Apostel Jesus: „Herr, stärke unseren Glauben.“ Warum tun sie das? Und was wollen sie da eigentlich genau?

Jesus verkündete den Menschen mit seiner Botschaft, dass mit ihm das lang erwartete und erhoffte Reich Gottes angebrochen ist: ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, in der sich alle, auch die Armen, Kranken, Sünder und an den Rand Geschobenen, als von Gott einzigartig geliebte Geschöpfe erkennen dürfen.

Die Wirklichkeit sah allerdings ganz anders aus. Es gab daher genug Stimmen, die den Worten Jesu sehr kritisch gegenüberstanden. So ist es verständlich, wenn gerade die Apostel, also der engste Kreis um Jesus Christus darum bittet, ihren Glauben zu stärken, also weitere Argumente zu bekommen, die deutlich machen, dass das, was Jesus sagt, auch wirklich wahr ist.

Wann haben wir das letzte Mal Gott darum gebeten, unseren Glauben zu stärken? Und wenn, was hatten wir da genau gewollt?

Jede und jeder von uns ist heute eigentlich in einer ähnlichen Situation, wie die Apostel damals. Die gegenwärtigen Entwicklungen machen es nicht einfacher. Die so genannte „Volkskirche“, in der praktisch alle in der gleichen Glaubensumgebung leben, gibt es nicht mehr. Wir Christinnen und Christen sind zu einer Minderheit geworden. Viele wenden sich nicht nur von all dem ab, woran wir glauben, sie üben auch scharfe Kritik oder halten unseren Glauben einfach für veraltet oder überholt, für nicht mehr zeitgerecht und mit der modernen Gesellschaft unvereinbar. Ohne Gott und ohne all seine Gebote lebt es sich außerdem viel leichter. Und diese Institution, die sich Kirche nennt, ist doch nichts anderes als ein Relikt aus dem Mittelalter.

Ja, da kann man die Bitte: „Herr, stärke unseren Glauben“ sehr gut verstehen. Aber warum soll ich überhaupt um einen starken Glauben bitten?

Genau das ist die Frage, über die wir uns klar sein sollten: Warum glaube ich überhaupt an Jesus Christus und seine frohe Botschaft vom Reich Gottes, das mit ihm und durch ihn in dieser Welt angebrochen ist?

Das Heilige Jahr 2025 macht uns auf die Hoffnung aufmerksam. All jene, die an Christus glauben, so lautet das Motto des Heiligen Jahres, sind in dieser Welt „Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung“. Wir glauben eben daran, um im Bild des heutigen Evangeliums zu bleiben, dass ein Glaube, der nur so klein ist wie ein Senfkorn, Berge versetzen kann. Wir glauben daran, dass das, was Jesus verkündet, unsere Welt zum Besseren verändern kann und unserem Leben ein tragfähiges Fundament schenkt, das uns die täglichen Herausforderungen besser meistern lässt. Wir glauben daran, dass es einen Gott gibt, den uns Jesus Christus nahe gebracht hat, der diese Welt, seine Schöpfung, leitet, lenkt und begleitet und zu einem guten Ende führen will, trotz allem, was wir sonst erleben müssen. Das gibt uns Kraft, das lässt uns jeden Morgen aufstehen und in den Tag gehen.

Was bleibt, ist allerdings die Unbegreiflichkeit Gottes, die Unbegreiflichkeit seiner Pläne und seines Wirkens, die zu seiner Größe gehört, die uns kleine Geister, uns „Knechte“, wie Jesus im heutigen Evangelium sagt, einfach übersteigt.

Der heilige Franz von Sales hat das so formuliert: „Die Beweggründe der göttlichen Vorsehung wären sehr armselig, würden wir kleinen Geister sie einsehen … wir vermögen weder ihre Beweggründe zu erkennen, noch die Wege und Mittel zu erfassen, durch die Gott sie verwirklicht und vollendet“ (DASal 3,225).

So lasst uns heute wie die Apostel einfach beten: Herr, stärke unseren Glauben, damit er wenigstens so groß wird wie das kleinste aller Samenkörner, das Senfkorn. Stärke unsere Hoffnung, damit durch uns das Wirklichkeit werden kann, was du verheißen hast: das Reich Gottes.

Und seien wir dankbar, dass wir bei allem Zweifel und allem Gegenwind vom Geschenk des Glaubens getragen werden. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS