Predigt zum 25. Sonntag im Jahreskreis (Lk 16,10-13)
Die kleinen Dinge
Natürlich, so wie der verstorbene österreichische Liedermacher Georg Danzer es in seinem Lied „Große Dinge“ besungen hat, so hat jede und jeder irgendwie den Wunsch, in seinem Leben einmal etwas Großes zu vollbringen, etwas Erfolgreiches, Bleibendes, Wertvolles. Und das ist ja auch durchaus etwas Gutes.
Jesus erinnert uns allerdings im heutigen Evangelium an die Wichtigkeit der kleinen Dinge, wenn er sagt: „Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen.“
Auf die Kleinigkeiten kommt es also genauso an. Und vielleicht sind diese Kleinigkeiten sogar viel wichtiger, weil sie nämlich im alltäglichen Leben viel häufiger vorkommen. Die kleinen Dinge des Alltags: das Guten Morgen, Grüß Gott und Gute Nacht, das Danke und das Bitte, ein freundliches Lächeln, dem anderen den Vortritt lassen, die Bereitschaft zu helfen, das Staubwischen, Müllentsorgen und Aufräumen, die Geduld, Sanftmut, Herzlichkeit, Höflichkeit, Verlässlichkeit und Pünktlichkeit – die Achtsamkeit auf die Mitmenschen, die Natur und das leise Säuseln Gottes in meinem Leben.
Vieles davon geschieht einfach so, ja im Verborgenen und ohne großes Tamtam – aber es ist wichtig, dass diese Kleinigkeiten geschehen und wir sie genauso verlässlich tun wie die großen Dinge. Die Kleinigkeiten tragen unseren Alltag, sie machen uns vielleicht nicht berühmt, aber dafür glücklich.
Der heilige Franz von Sales war ein Meister der kleinen Dinge, nicht nur bei sich selbst, sondern auch in seinen Weisungen, die er anderen Menschen gab. Nicht die Bären und Wölfe sind unsere Herausforderungen, meinte er, weil wir ihnen im Leben selten begegnen, die wirklichen Herausforderungen sind die Mücken und die Fliegen, also die Kleinigkeiten, mit denen wir jeden Tag zu tun und manchmal auch zu kämpfen haben. Diese Kleinigkeiten prägen unseren Alltag, und mit ihnen gut umzugehen, macht den größten Teil unseres Lebens aus. Eine gute Christin, ein guter Christ achtet besonders auf sie, weil sie nämlich die ständigen Begleiter auf dem Weg zur Vollkommenheit sind. Mit allen diesen Kleinigkeiten können wir die Liebe Gottes gewinnen, wenn wir mit ihnen achtsam und liebevoll umgehen. „Da sich solche Gelegenheiten sehr oft bieten,“ so Franz von Sales wörtlich, „können wir durch sie große geistliche Reichtümer anhäufen, wenn wir sie gut benützen“ (DASAl 1,190).
Der christliche Weg, den der heilige Franz von Sales vorschlägt, wird oft als „Weg der kleinen Schritte“ bezeichnet, also als Weg, der auf die vielen kleinen Gelegenheiten achtet, bei denen ich Gott und den Mitmenschen im täglichen Leben dienen kann. Das Ziel dieses Weges ist natürlich die Vollkommenheit, also die Heiligkeit, der Weg dorthin aber geht Schritt für Schritt und jeden Tag neu, er überfordert niemanden, allerdings fordert er genau dazu heraus, was uns Jesus im heutigen Evangelium sagte: in den kleinsten Dingen zuverlässig zu sein, damit man es auch in den großen Dingen ist.
So könnten wir uns als heute einmal fragen, wie es uns mit all diesen kleinen Dingen des alltäglichen Lebens geht: in der Familie, im Beruf, im Freundeskreis, in der Pfarrgemeinde. Bin ich da zuverlässig? Ja, ist mir überhaupt bewusst, dass all diese Kleinigkeiten mir helfen, auf dem Weg der Jesusnachfolge voranzukommen? Nutze ich diese Kleinigkeiten dazu, den Menschen die Liebe Gottes spürbar werden zu lassen? Die kleinen Dinge des Alltags sind nämlich das Feld, auf dem Gott mich blühen sehen will. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS