Predigt zum Fest Maria Himmelfahrt (Lk 1,39-56)

Zeugin der Hoffnung

„Maria ist das edelste Kleinod nach Christus in der ganzen Christenheit“, so lesen wir erstaunlicherweise beim Reformator und Kirchenkritiker Martin Luther. Und das „Magnificat“, das wir gerade hörten, bezeichnete er als „ihr Doktorat und ihre Meisterschaft, die uns lehrt, wie man sich Gott gegenüber verhalten soll.“

Obwohl Martin Luther dieser große Marienverehrer war, verhielt er sich gegenüber der katholischen Sicht über Maria äußerst kritisch, vor allem, was so manche Auswüchse der Marienverehrung betraf, und da muss man ihm und der evangelischen Kirche durchaus bis heute Recht geben.

Maria ist keine Göttin und wir dürfen sie durch die Art unserer Verehrung auch nicht dazu machen. Sie selbst verweist auf ihre Niedrigkeit, auf ihre Stellung als Magd des Herrn, an der Gott Großes getan hat, weil sie auserwählt wurde, Jesus Christus, den Sohn Gottes, auf die Welt zu bringen.

Das katholische Dogma, das wir am heutigen Festtag feiern, muss daher in gleicher Weise verstanden werden. Es ist das jüngste Dogma der Kirchengeschichte: die Aufnahme Marias in die himmlische Herrlichkeit mit Leib und Seele.

Genauso wie das Magnificat sagt dieses Dogma weniger über Maria aus, sondern vielmehr über unseren Glauben an Gott und sein Verhalten gegenüber uns Menschen.

„Der Mächtige hat Großes getan, sein Name ist heilig … die Mächtigen stürzt er vom Thron, die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben …“ Sein Versprechen, das er seinem Knecht Israel gegeben hat, das hat er für die ganze Welt eingelöst.

An all das erinnert das Fest Maria Himmelfahrt und unterstreicht noch einmal in aller Deutlichkeit die Größe Gottes, der sich nicht zu gut ist, sich seiner Geschöpfe anzunehmen, vor allem jener, die erniedrigt sind, die Hungernden, die Leidenden, die Ausgestoßenen und an den Rand Gedrängten. Ihnen allen ist versprochen, dass sie das Ziel ihrer Vollendung erreichen werden – und Maria ist für dieses göttliche Verhalten der erste Beweis.

„Unser Herz ist für Gott geschaffen,“ schreibt der heilige Franz von Sales. „Gott lockt es ständig an sich und hört nicht auf, in das Herz die Reize seiner himmlischen Liebe zu werfen.“ Dann fügt er hinzu, dass Maria deshalb unser aller Vorbild ist, weil sie „die Liebe ihres Sohnes gewählt (Lk 10,42) hat, und nichts kann sie ihr rauben.“ Deshalb war „ihr Tod … sanfter als man sich denken kann“ (DASal 4,73-74).

Damit wird Maria auch zum Hoffnungszeichen für uns selbst, die den Menschen seit Jahrhunderten mit ihrer Fürsprache beegleitet und Trost spendet. In Maria wird deutlich, dass jeder Mensch von Gott geliebt und für seine ewige Herrlichkeit bestimmt ist.

Maria bringt also nicht sich selbst zum Leuchten, sondern die Größe Gottes – und das tut sie tatsächlich auf einzigartige Weise und daher ist sie von Anfang an für alle Christinnen und Christen ein großes Vorbild und ein Symbol der Hoffnung.

So heißt es auch in der Botschaft des verstorbenen Papstes Franziskus zum Heiligen Jahr der Hoffnung wörtlich:

„Die höchste Zeugin der Hoffnung ist die Mutter Gottes. An ihr sehen wir, dass Hoffnung kein törichter Optimismus ist, sondern ein Geschenk der Gnade in der Wirklichkeit des Lebens … Es ist kein Zufall, dass die Volksfrömmigkeit Maria als ‚Meerstern‘ anruft, mit einem Titel, der die sichere Hoffnung zum Ausdruck bringt, dass die Mutter Gottes uns in den stürmischen Wechselfällen des Lebens zu Hilfe kommt, uns stärkt und uns einlädt, zu vertrauen und weiter zu hoffen.“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS