Predigt zum Fest Allerheiligen (Mt 5,1-12a)

Heilig sein – heilig werden

Jesus Christus verkündet den Beginn des Reiches Gottes – die Basileia tou theou, wie es die Evangelisten nennen: das Königreich Gottes, die Gottesherrschaft, das Himmelreich. Was damit gemeint ist, fassen unter anderem die Seligpreisungen der Bergpredigt in wenigen Sätzen zusammen: die Armen, Trauernden, Sanftmütigen, Gerechten, Barmherzigen, Herzensreinen, Friedenstifter und Verfolgten werden ihren Lohn erhalten. Diese Sätze sind das Manifest der Hoffnung für die gesamte Menschheit: Armut, Tod, Gewalt, Ungerechtigkeit, Hartherzigkeit, Lüge, Krieg und Terror haben nicht das letzte Wort. Die Freude und der Jubel des Reiches Gottes sind mit Jesus Christus angebrochen. Zeichen dafür sind nicht nur seine Heilungswunder, sein Auftreten mit göttlicher Vollmacht, sondern vor allem sein Tod am Kreuz und seine Auferstehung am dritten Tag.

An all das erinnert uns das Fest Allerheiligen und auch daran, dass wir Christinnen und Christen dazu berufen sind, am Aufbau dieses durch Jesus Christus angebrochen Gottesreich mitzuarbeiten, so wie es seit Jesus Christus von unzähligen Christinnen und Christen geschehen ist, von Märtyrerinnen und Märtyrern, Bekennerinnen und Bekennern, Kirchenlehrerinnen und Kirchenlehrern, Frauen und Männern, Jugendlichen und Kindern, die Jesus in ihrer Zeit, an ihrem Ort, mit ihren Aufgaben, Fähigkeiten und Talenten nachgefolgt sind – und die wir deshalb Heilige und Selige nennen.

Heilig, dieses Wort leitet sich vom griechischen Wort „holos“ ab und bedeutet ganz, heil. Wie immer bei solchen biblischen Begriffen, genauso wie beim Begriff Reich Gottes, ist damit ein Geschenk, aber auch eine Aufgabe mitverbunden. Wir Christinnen und Christen sind durch die Taufe heilig, ganz geworden, daher sollen wir durch unser Leben heilig, ganz werden. Das Reich Gottes ist mit Jesus bereits angebrochen, daher sollen wir am Aufbau des Reiches Gottes mitarbeiten. Wir sollen an jenem Ort, an dem wir leben, mit jenen Fähigkeiten, die uns geschenkt sind, unseren Beitrag dafür leisten, das all das, was Jesus Christus verkündete und uns durch die Heilige Schrift überliefert ist, ganz, heilig wird.

Das Ziel dieses Lebens wird die Freude und der Jubel sein, das „ewige Halleluja“, wie Franz von Sales einmal schrieb:

„Welche Seligkeit, diesen Melodien der ganz heiligen Ewigkeit zu lauschen, die alle einmünden in ein von überall her tönendes, zusammenklingendes, laut schallendes, ewiges Alleluja!“ (DASal 3,260).

Papst Franziskus hat dieses Ziel in seiner Botschaft zum Heiligen Jahr so beschrieben:

„Wir haben aufgrund der Hoffnung, in der wir gerettet wurden, und mit Blick auf den Lauf der Zeit die Gewissheit, dass die Geschichte der Menschheit und die eines jeden von uns nicht auf einen blinden Fleck oder einen dunklen Abgrund zuläuft, sondern auf die Begegnung mit dem Herrn der Herrlichkeit ausgerichtet ist. Leben wir also in der Erwartung seiner Wiederkunft und in der Hoffnung, für immer in ihm zu leben: In diesem Geist machen wir uns die innige Anrufung der ersten Christen zu eigen, mit der die Heilige Schrift endet: »Komm, Herr Jesus!« (Offb 22,20).“

Lassen wir uns durch das Allerheiligenfest dazu ermutigen, mit ganzer Kraft und voll Hoffnung am Reich Gottes mitzuarbeiten, gerade weil vieles davon eben noch nicht heilig ist. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS