Predigt zum 26. Sonntag im Jahreskreis (Lk 16,19-31)

Vergesst die Armen nicht!

Als der verstorbene Papst Franziskus zum Papst gewählt wurde, flüsterte ihm der Kardinal von Sao Paolo, Claudio Hummes, zu: „Vergiss die Armen nicht!“ – Und das wurde einer der großen Schwerpunkte der Amtszeit von Papst Franziskus: ein Pontifikat für die Armen, für die, die am Rand der Gesellschaft stehen – das bleibt im Gedächtnis, das hat sehr viele beeindruckt, auch außerhalb der Katholischen Kirche.

In der Botschaft von Papst Franziskus zum Heiligen Jahr 2025 – das ja noch nicht zu Ende ist –, kommen daher auch zentral die Armen vor, für die gerade die Christinnen und Christen Zeichen der Hoffnung sein sollen. Wörtlich schreibt wer:

„Um Hoffnung bitte ich eindringlich für die Milliarden von Armen, denen oft das Lebensnotwendige fehlt. Angesichts immer neuer Wellen der Verarmung besteht die Gefahr der Gewöhnung und Resignation. Aber wir dürfen unseren Blick nicht von solch dramatischen Situationen abwenden, die inzwischen überall anzutreffen sind … Wir begegnen jeden Tag armen und verarmten Menschen, bisweilen können das gar unsere Nachbarn sein. … Vergessen wir nicht: Die Armen sind fast immer Opfer, nicht Täter.“

Dazu passt das Beispiel, das Jesus im eben gehörten Evangelium erzählt: Der reiche Prasser und der arme Lazarus. Allein die Tatsache, dass Jesus den Armen mit Namen nennt, hingegen der Reiche namenlos bleibt, weist schon darauf hin, auf welcher Seite Jesus steht – und worauf er seine Zuhörerinnen und Zuhörer hinweisen will: Vergesst die Armen nicht, sie sind keine nebulose Masse, sie sind Menschen, Frauen, Männer, Kinder mit einem Namen, das heißt mit einem von Gott geschenkten Wert und einer einzigartigen Würde.

Warum war das Christentum so erfolgreich? Warum konnte es sich von einer jüdischen Abspaltung über die ganze Welt ausbreiten und zur größten Weltreligion entwickeln? Weil Jesus Christus mit seiner frohen Botschaft deutlich machte, dass Gottesliebe immer verbunden ist mit der Liebe zum Nächsten, vor allem zu jenen Menschen, die in der Gesellschaft die Geringsten genannt werden. „Was ihr dem Geringsten meiner Schwestern und Brüder getan oder nicht getan habt“, so sagt er an einer anderen Stelle, „das habt ihr mir getan oder nicht getan“ (Mt 25,40.45). Jesus identifiziert sich mit den Armen und an den Rand Geschobenen und erklärt die Hilfe für sie zum Gottesdienst. Wer ihnen hilft, dient Gott. Das war die Grundlage für die schnelle Ausbreitung in der ganzen Welt, aber auch der Stein des Anstoßes bei den Reichen und Mächtigen, weshalb Christinnen und Christen nicht nur damals, sondern bis heute verfolgt werden.

Jesus erzählt das Gleichnis allerdings nicht, um die vielen Armen auf das Himmelreich zu vertrösten – gleichsam als „Opium für das Volk“, wie die christliche Botschaft kritisiert wurde. Dieses Gleichnis ist eine eindeutige Warnung an all jene, die die Armen vergessen und nichts dafür tun, damit es ihnen besser geht. Jesus macht uns also ziemlich eindringlich deutlich, dass Caritas, soziales Engagement, Hilfe für die Schwachen nicht irgendein Gebot unter vielen ist, sondern zum Fundament unseres Glaubens gehört. Ich kann nicht sagen, ich glaube an Gott, an Jesus Christus, an den Heiligen Geist – ohne dabei auch all jene Menschen im Blick zu haben, denen es nicht so gut geht. Nächstenliebe ist Grundvoraussetzung für die Gottesliebe, oder wie es der heilige Franz von Sales einmal so schön auf den Punkt bringt: „Nichts ist der Liebe so entgegengesetzt, wie die Verachtung des Nächsten“ (DASal 1,174). Daher ist „die Liebe zu Gott … von der Liebe zum Nächsten nicht zu trennen“ (DASal 2,316).

Wir Christinnen und Christen dürfen übrigens bei aller Kritik, mit der die Kirche immer wieder konfrontiert ist, durchaus dankbar und auch stolz darauf sein, dass die Caritas zu den anerkanntesten Hilfsorganisationen der Welt zählt. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS