Predigt zum 12. Sonntag im Jahreskreis (Lk 9,18-24)

Jesus in meinem Herzen

Vor einer Woche feierten wir den Dreifaltigkeitssonntag. Bei der Entstehung des christlichen Glaubensbekenntnisses an den dreifaltigen Gott ging es natürlich auch ganz wesentlich darum, wer Jesus ist: Ist er Gott, ist er Mensch, ist er beides, und wie vereinbart sich all das mit dem Glauben an den einen und einzigen Gott.

Die Theologie entschied sich für beides: Jesus ist wahrer Gott und wahrer Mensch, „gezeugt, nicht geschaffen,“ wie es das 1700 Jahre alte Glaubensbekenntnis vom Konzil von Nicäa formuliert, er ist „eines Wesens mit Gott Vater“ und „er ist Mensch geworden.“

Das Bekenntnis des Petrus, das wir im heutigen Evangelium hörten, war für dieses Glaubensbekenntnis natürlich besonders bedeutsam: „Du bist der Christus Gottes“. Also, du bist der, der uns seit Jahrhunderten von den Propheten von Elija bis Johannes der Täufer, als Erlöser, Befreier, Heiland, eben als Christus, Messias, Gesalbter, als Richter über Lebende und Tote verheißen wurde, dessen Herrschaft kein Ende haben wird.

All das ist natürlich hohe Theologie, und über die genaue Bedeutung der einzelnen Begriffe wird bis heute nachgedacht, geforscht, diskutiert und oft genug auch gestritten.

All diese Diskussionen können uns allerdings vor einer Frage nicht lossprechen, nämlich jene, die Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern damals und heute stellt: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Diese Frage gilt uns allen. Ich soll also nicht irgendetwas nachsagen, was ich von anderen gehört habe, ich soll viel mehr zu meiner ganz persönlichen Antwort finden. Es geht also um meine persönliche Jesus-Beziehung. Jesus fragt mich persönlich: Wer bin ich für dich? Und er möchte meine Antwort darauf.

Diese Antwort macht unseren je eigenen Glauben als Christinnen und Christen in der Welt von heute aus. Es ist eben ein Unterschied, ob Jesus eine herausragende historische Persönlichkeit war, der mit seinen Lehren die Welt von Grund auf veränderte, oder ob dieser Jesus in meinem Herzen wohnt und in meinem persönlichen Leben als mein Heiland, Herr und Meister wirklich gegenwärtig ist, eine einflussreiche Rolle spielt, zu dem ich bete, mit dem ich mich unterhalte, so wie die Jüngerinnen und Jünger vor 2000 Jahren. Lebt Jesus wirklich in mir und lebe ich in ihm? „Ich möchte das erhabene und heilige Wort ‚Es lebe Jesus‘, in dein Herz schreiben,“ so meint der heilige Franz von Sales, „damit er auch in deinen Handlungen lebendig ist“ (DASal 1,164).

In diesem Zusammenhang gibt es dann auch noch eine zweite Frage, nämlich: Wie gehe ich damit um, wenn Jesus einmal ganz anders spricht und handelt, als ich es will, so wie es im heutigen Evangelium auch zum Ausdruck kommt. Was ist, wenn er plötzlich vom Leiden spricht und vom Kreuztragen, wenn ich das Leben verlieren soll, um es zu gewinnen? Wie gehe ich mit jenen Aussagen Jesu um, die mir schwerfallen oder die ich nicht verstehe? Bleibt dann meine persönliche Jesusbeziehung erhalten? Sage ich dann weiter, so wie Franz von Sales: „Herr Jesus, du wirst immer meine Hoffnung im Land der Lebenden sein“ (DASal 11,329)? Oder gehe ich auf Abstand, so wie es damals viele Jüngerinnen und Jünger taten, als das Kreuztragen immer konkreter wurde. Wie groß ist meine Treue, wie groß mein Vertrauen, dass Jesus Christus tatsächlich wahrer Gott, wahrer Mensch, der Christus, Heiland und Erlöser ist und immer sein wird?

Wer ist Jesus für mich ganz persönlich, welchen Einfluss hat er auf mein Leben? Sich für diese Frage einmal wieder Zeit nehmen, dazu lädt uns der heutige Sonntag ein. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS